Fotostudio Plange I (German Edition)
Ergebnis
bekommen. Die Prüfungsordnung für Lehrer war ein Buch mit sieben Siegeln für
mich, aber das würden wir auch durchstehen, da war ich mir mehr als sicher!
„Tja, wenn das so ist, dann werde ich unten meiner
Lieblingsbeschäftigung nachgehen und mal wieder kreativ sein!“
„Du willst Aufnahmen machen?“ Er klang leicht verwundert.
„Nein, meine Buchführung ruft! Ich habe übermorgen einen
Termin mit meiner Steuerberaterin, die will endlich die Belege für die letzten
zwei Monate haben.“ Ich liebe diese Arbeit über alles! Noch lieber gehe ich
natürlich zum Zahnarzt!
Als wir daheim ankamen, war Marvin noch nicht da. Eine
Zeit für seine Rückkehr hatten wir nicht ausgemacht, von daher nahm ich das
Telefon mit in das neue Büro, falls er sich melden würde, dass er abgeholt
werden wollte. Ich vertiefte mich in meine Zahlen und Belege und verlor dabei
jedes Zeitgefühl. Wie lange ich vor dem Rechner und den Aktenordnern saß, kann
ich beim besten Willen nicht mehr sagen.
Plötzlich klopfte es an der offenen Tür, fast
aufgeschreckt blickte ich auf, Marvin stand im Rahmen. „Hallo Onkelchen!“
Ich grinste ihn an. „Großer! Schon hier? Ich hab extra
das Telefon mit runtergebracht, falls ich wieder Taxi …“
„Schon ist gut! Wir haben kurz nach sechs.“ Er wirkte
irgendwie betrübt.
Hatte ich wirklich schon über drei Stunden am
Schreibtisch gesessen und Zettel sortiert? Ich sollte mir endlich angewöhnen,
jeden Tag zehn Minuten die Ablage zu machen, dann würde es erheblich einfacher
und schneller gehen, die Zahlen zusammenzustellen. Naja! Das würde ich auf
meine Liste der guten Vorsätze für das neue Jahr setzen, mal schauen, wie lange
er halten würde.
„Dann ist es ja Zeit, gleich ans Abendrot zu denken.“
„Kann ich ja gleich machen! Vielleicht gelingt mir das
wenigstens!“ Er stand dar wie ein Schluck Wasser in der Kurve.
„Was ist los, mein Kleiner? Du hast doch was auf dem
Herzen, das sieht man doch! Zoff mit Florian?“
Er schaute etwas komisch aus der Wäsche. „Nein! Mit Flori
ist alles in bester Ordnung. Es ist nur …“
„Was ist nur …? Jetzt setz dich erst einmal zu mir und
wir quatschen eine Runde! Was zu trinken?“ Ich konnte eh keine Zahlen mehr
sehen und war froh für diese Ablenkung. Sylvester war ja erst in zwei Wochen,
also hatten die Vorsätze noch Zeit!
Ich hatte doch schon am Freitag bemerkt, dass ihm etwas
auf der Seele lag. Er schüttelte den Kopf und zog sich den Stuhl heran.
„Woran erkennt man eigentlich, ob jemand verzaubert ist
oder nicht?“ Ach du heiliger Herr Gesangverein! Von daher wehte der Wind! Ein
männliches Wesen hatte anscheinend seine Aufmerksamkeit geweckt.
„Na ja, ein genaues Erkennungszeichen gibt es nicht! Es
hängt immer von den Umständen ab!“ Er blickte mir fragend in die Augen.
„Geht es etwas genauer?“
„Zwei Männer küssend in einer schwulen Kneipe, das ist
eindeutig!“
„Hahaha!“ Er grinste mich frech an.
„Typen, die laufend zwischen Dekolleté- und Diademgriff
wechseln und im Teekännchen stehen, sehr wahrscheinlich!“ Ich griff erst mit
meiner Rechten gekünstelt an meine Brust, um danach die offene Hand vor dem
Kopf zu präsentieren. Auf das Aufstehen jedoch verzichtete ich.
Er prustete los. „Keine Tuntentechniken bitte!“
„Das hat nichts mit Tunten zu tun. Etliche
Travestie-Stars sind heterosexuell, zwar die Schlechteren, aber egal!“ Ich
griente ihn an.
Sein Lachen war ansteckend. „Kannst du auch ernst sein?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Auch der abgespreizte
kleine Finger beim Halten einer Tasse ist schon lange kein eindeutiges Zeichen
mehr für das, was der feine Engländer somewhat queer nennt. Auch wie man ein
Glas anfasst oder eine Zigarette ausdrückt, da kann man zwar einiges draus
ableiten, aber leider nichts Genaues. David Beckham und seiner Metrosexualität
sei Dank! Aber man sollte eh nie vom Äußeren, sprich von der Kleidung, dem
Auftreten, den Haaren, dem Gehabe, auf das Innere eines Menschen schließen. Der
Schuss geht meistens nach hinten los! Der trendige Modetyp mit der Fistelstimme
kann ne Hete sein, der Punk um die Ecke in zerrissenen Jeans die Obertucke!“
„Du meinst also, auch wenn ein Mann mal aufs Damen-WC
geht, muss er nicht unbedingt ... Es kann auch nur ein Versehen sein?“ Er war
neugierig.
„Das oder das Herrenklo war voll und er
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