Foules Spiel: Ein Nürnberger Fußballkrimi (German Edition)
ominösen Kneipen, wo es nur ums Saufen ging.
In der Linie 9 saßen einige ausländische Touristen, die an der Endhaltestelle ausstiegen und in Richtung Dokumentationszentrum gingen. Ein Besuch dort stand auch noch auf Charlottes Liste. Sie sollte die Zeit nutzen, bevor sie einen neuen Job antrat. Es gab so viel zu sehen in Nürnberg, aber bisher war sie tagein, tagaus dieselben Wege gefahren. Und wenn sie frei hatte, kümmerte sie sich um die Wohnung.
Charlotte sah den Touristen nach, wünschte sich, sie könnte ihnen hinterherlaufen. Aber musste man gleich mit der dunkelsten Seite der Nürnberger Geschichte beginnen? Da gab es sicher lustigere Orte.
Sie wandte sich ab und ging in die entgegengesetzte Richtung. Der Dutzendteich lag ruhig da und glitzerte in der wärmenden Aprilsonne. Charlotte beschloss, das endlich schöne Wetter auszunutzen und zum Trainingsgelände zu laufen. Es war gleich wieder eine Gelegenheit, einen neuen Teil von Nürnberg kennenzulernen.
Eine alte Frau fütterte ein paar Enten, die sich heftig um jeden Brotbrocken stritten. Charlotte blieb eine Weile stehen und sah zu, wie die Tiere laut schnatternd versuchten, sich das Futter gegenseitig abzujagen. Doch dann fiel ihr ein, dass sie mit Timo Hartmann reden wollte, und sie lief über das Aufmarschgelände weiter zur Valznerweiherstraße. Dort erfuhr sie, dass das Training bereits abgeschlossen sei, aber sie solle es in den Stuhlfauth-Stuben probieren.
Als Charlotte das Vereinsheim betrat, sah sie als erstes an der rechten Wand die Schwarzweißaufnahme eines Fußballers in Lebensgröße; sozusagen der Starschnitt längst vergangener Jahre. Auf einem Bild links darüber war der gleiche Spieler zu sehen, auf dem Passepartout stand Heiner Stuhlfauth. Das war also die Legende, von der Patrick schon so viel berichtet hatte. Der Torhüter sah eher unspektakulär aus. Aber vielleicht war ja das sein Geheimnis gewesen?
Das Vereinsheim war halbvoll, es wurde gelacht und geraucht. Überall hingen und standen Bilder, Fahnen und sonstige Devotionalien vom Club, die meisten vermutlich aus der Zeit, als der Club noch Rekordmeister war. Den teilweise vergilbten Bildern nach zu schließen, musste es lange her sein.
Charlotte sah sich um und entdeckte ihren Sohn, der links hinten in der Ecke zusammen mit einem älteren Herrn an einem Tisch saß und ihn mit vollster Konzentration anschaute. Ob er in der Schule auch ein solches Interesse an den Tag legte? Charlotte fragte sich, ob es am Mann oder am Thema lag.
Patrick war schon immer ein Fußballfan gewesen, schon als kleines Kind. Natürlich war es auch sein Traum gewesen, Fußballprofi zu werden, doch sein Talent hatte nicht ausgereicht. Zum Glück hatte er es gut verkraftet, als sein Traum platzte. Wenn er nicht Spieler werden konnte, würde er eben Fan werden, hatte er gesagt. Entsprechend sah sein Zimmer aus: Poster von Spielern, Sammelalben von diversen Meisterschaften, Trikots mit Autogrammen, Baseballkappen, Fußbälle. Er investierte fast sein ganzes Taschengeld in Fanartikel.
Es war allemal besser als Alkohol oder gar Drogen. Charlotte seufzte. Patrick hatte in seinem jungen Leben schon so viele negative Dinge erleben müssen – es war eigentlich ein Wunder, dass sie nicht mehr Probleme mit ihm hatte.
Sie wandte den Blick von ihrem Sohn ab und dem Mann, dem er gegenüber saß, zu. Das war also dieser ominöse Schorsch Hasselbacher, der es geschafft hatte, Nürnberg oder zumindest den Club zu einer Art Heimat für Patrick werden zu lassen.
Er war nicht der Typ, der sofort auffiel, aber er sah nicht unsympathisch aus. Mit der altmodischen Brille und dem Karohemd wirkte er altbacken, aber was hieß das schon? Auf dem Kopf trug er die unvermeidliche Baseballkappe mit dem FCN-Logo, um den Hals war ein Club-Schal drapiert. Aber damit unterschied er sich durch nichts von den anderen Personen, die das Vereinsheim bevölkerten.
Hasselbacher sagte etwas, woraufhin Patrick laut lachte. War sie eifersüchtig? Charlotte lauschte einen langen Moment in sich hinein. Nein, sie war eher dankbar, dass Patrick so schnell Anschluss gefunden hatte, auch wenn Hasselbacher nicht gerade das richtige Alter hatte. Vielleicht diente er auch als eine Art Vaterersatz.
Diesen Gedanken wollte sie nicht weiterverfolgen, er brachte zu viele unschöne Erinnerungen mit sich. Charlotte ging zu den beiden.
»Hallo«, sagte sie zu Patrick. Zu dem Mann meinte sie: »Sie müssen der berühmte Herr Hasselbacher sein. Ich bin
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