Foundation 02: Die Stahlhöhlen
ganzen
Stolz darein, seinen Nachbarn nicht zu begegnen. Gleichzeitig wird
sein Anwesen so gut von seinen Robotern geführt und ist in so
hohem Maße autark, daß es für ihn auch gar keinen
Anlaß gibt, seinen Nachbarn zu begegnen. Der Wunsch, dies zu
vermeiden, führte zur Entwicklung immer perfekterer
Sichtgeräte, und je besser die Sichtgeräte wurden, desto
geringer wurde das Bedürfnis, seine Nachbarn zu sehen. Das war
ein sich selbst verstärkender Prozeß, eine Art Feedback,
verstehen Sie?«
Baleys Verstimmung hielt an. »Schauen Sie, Dr. Quemot, Sie
brauchen mir nicht alles so simpel darzulegen. Ich bin kein
Soziologe, aber ich habe auf der Schule die üblichen Vorlesungen
belegt. Natürlich nur auf einer irdischen Schule«,
fügte Baley mit einer Art zögernder Bescheidenheit hinzu,
um Dr. Quemot an eben dieser Bemerkung, nur in beleidigenderer Form,
zu hindern, »aber ich kann mathematischen Darlegungen durchaus
folgen.«
»Mathematischen Darlegungen?« fragte Quemot, dessen
Stimme dabei fast schrill wurde.
»Nun, nicht das Zeug, mit dem man sich in der Robotik
befassen muß, dem ich nicht folgen könnte. Aber mit
soziologischen Beziehungen komme ich klar. So bin ich zum Beispiel
durchaus mit der Teramin-Gleichung vertraut.«
»Der was?«
»Vielleicht heißt das bei Ihnen anders. Das
Differential der Unbequemlichkeiten, die man infolge von Privilegien
hinnehmen muß: Jot durch DA hoch…«
»Wovon reden Sie?« Das war jetzt die typisch
anmaßende Stimme eines Spacers, und Baley verstummte.
Die Beziehung zwischen hingenommenen Unbequemlichkeiten und
gewährten Privilegien gehörte zu den wesentlichen
Erkenntnissen, derer es bedurfte, um explosive Situationen unter
Menschen zu vermeiden. Eine Privatnische im Gemeinschaftsbaderaum,
die man einer Person aus einem bestimmten Grund zuwies, würde
dafür sorgen, daß x Personen geduldig darauf warteten,
daß derselbe Blitzstrahl sie streifte, wobei der Wert x
bekannterweise, je nach den Variationen der Umgebung und des
menschlichen Temperaments variierte – und all dies wurde eben in
der Teramin-Gleichung beschrieben.
Aber dann war natürlich gut möglich, daß die
Teramin-Gleichung auf einer Welt, wo alles Privileg und nichts
unbequem war, eine reine Trivialität war. Vielleicht hatte er
das falsche Beispiel gewählt.
Er versuchte es noch einmal: »Schauen Sie, eine qualitative
Darstellung, wie dieses Vorurteil gegen das Sehen gewachsen ist, ist
eine Sache; aber mir hilft das nichts. Ich brauche eine genaue
Analyse dieses Vorurteils, um ihm effektiv entgegenwirken zu
können. Ich möchte die Menschen dazu überreden, mich
zu sehen, so wie Sie das jetzt tun.«
»Mr. Baley«, sagte Quemot, »Sie können doch
menschliche Gefühle nicht so behandeln, als wären sie in
ein Positronengehirn eingebaut.«
»Das behaupte ich ja nicht. Die Robotik ist eine deduktive
Wissenschaft, während die Soziologie eine induktive ist. Aber
man kann doch auf beide die Mathematik anwenden.«
Einen Augenblick lang herrschte Stille. Dann sagte Quemot mit
zitternder Stimme: »Sie haben eingeräumt, daß Sie
kein Soziologe sind.«
»Ich weiß. Aber man hat mir gesagt, daß Sie einer
seien. Der beste auf dem ganzen Planeten.«
»Ich bin der einzige. Sie können beinahe sagen,
daß ich die Wissenschaft erfunden habe.«
»Oh?« Baley zögerte, ehe er die nächste Frage
stellte; sie wirkte selbst auf ihn impertinent. »Haben Sie
Bücher über das Thema gesichtet?«
»Ich habe mir einige auroranische Bücher
angesehen.«
»Haben Sie sich Bücher von der Erde angesehen?«
»Der Erde?« Quemot lachte etwas verlegen. »Es
wäre mir nie in den Sinn gekommen, irgendwelche
wissenschaftlichen Darstellungen von der Erde zu lesen. Aber damit
will ich Sie nicht beleidigen.«
»Nun, das tut mir leid. Ich hatte geglaubt, ich könnte
spezifische Einzelheiten von Ihnen erfahren, die es mir möglich
machen würden, weitere Solarianer von Angesicht zu Angesicht zu
interviewen, ohne…«
Quemot gab ein eigenartiges, unartikuliertes Geräusch von
sich, und der große Sessel, auf dem er saß, kippte nach
hinten und fiel krachend um.
Baley hörte ein halberstickes »Entschuldigen
Sie!«
Dann erhaschte Baley einen Blick auf Quemot, der mit
schwerfälligen Schritten davonhastete, und im nächsten
Augenblick hatte er den Raum verlassen und war verschwunden.
Baley hob die Brauen. Was, zum Teufel, hatte er diesmal wieder
gesagt? Jehoshaphat! Was für einen falschen Knopf hatte er da
wieder
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