Foundation 02: Die Stahlhöhlen
eine ›Farm‹ genannt, und Sie haben Kinder erwähnt. Ziehen Sie hier Kinder auf?«
»Von dem Zeitpunkt an, wo sie einen Monat alt sind. Jeder Fötus auf Solana kommt hierher.«
»Fötus?«
»Ja.« Sie runzelte die Stirn. »Wir kriegen sie einen Monat nach der Empfängnis. Ist Ihnen das peinlich?«
»Nein«, sagte Baley knapp. »Können Sie mich herumführen?«
»Ja. Aber bleiben Sie bitte auf Distanz.«
Baleys langes Gesicht nahm einen grimmig-starren Ausdruck an, als er von oben in den langen Saal hinunterblickte. Zwischen dem Raum und ihnen war eine Glaswand. Auf der anderen Seite – davon war er überzeugt – herrschte perfekt geregelte Temperatur, perfekt geregelte Feuchtigkeit und perfekt geregelte Antisepsis. Diese Tanks, eine Reihe hinter der anderen, enthielten jeder sein kleines Geschöpf, das in einer genau dosierten wäßrigen Flüssigkeit schwebte, der man Nährlösung idealer Zusammensetzung zufügte. So vollzogen sich Leben und Wachstum.
Kleine Geschöpfe, einige davon kaum halb so groß wie seine Faust, in sich zusammengerollt, mit vortretendem Schädel, winzigen, knospenartigen Gliedern und kleinen, im Verschwinden begriffenen Schwänzen.
Klorissa meinte aus zwanzig Fuß Entfernung: »Wie gefällt Ihnen das, Detektiv?«
»Wie viele haben Sie hier?«
»Heute morgen sind es einhundertzweiundfünfzig. Wir bekommen jeden Monat fünfzehn bis zwanzig und entlassen ebenso viele in die Unabhängigkeit.«
»Ist das das einzige derartige Institut auf dem ganzen Planeten?«
»So ist es. Es reicht aus, um die Bevölkerungszahl konstant zu halten, wenn man von einer Lebenserwartung von dreihundert Jahren und einer Bevölkerung von zwanzigtausend ausgeht. Dieses Gebäude ist ganz neu. Dr. Delmarre hat den Bau überwacht und viele Verbesserungen im Ablauf eingeführt. Die Sterblichkeitsrate beträgt jetzt buchstäblich null.«
Roboter schritten zwischen den Tanks umher. Bei jedem blieben sie stehen und prüften in sorgfältiger, unermüdlicher Art die Instrumente und sahen sich die winzigen Embryos in den Tanks an.
»Wer operiert denn die Mutter?« fragte Baley. »Ich meine, um die kleinen Dinger zu bekommen.«
»Ärzte«, antwortete Klorissa.
»Dr. Delmarre?«
»Selbstverständlich nicht. Dr. Delmarre war nicht Arzt. Sie glauben doch nicht etwa, der hätte je… aber lassen wir das!«
»Warum kann man denn keine Roboter einsetzen?«
»Roboter in der Chirurgie? Das Erste Gesetz macht das sehr schwierig, Detektiv. Ein Roboter könnte eine Appendix-Operation durchführen, um ein menschliches Leben zu retten, wenn er wüßte, wie man das macht. Aber ich bezweifle, daß er nachher ohne größere Instandsetzungsarbeiten noch zu verwenden wäre. Für ein Positronengehirn wäre es ein traumatisches Erlebnis, durch menschliches Fleisch schneiden zu müssen. Menschliche Ärzte können sich daran gewöhnen. Selbst an die persönliche Anwesenheit, die das erfordert.«
Baley meinte: »Aber um die Föten kümmern sich die Roboter doch. Haben Sie und Dr. Delmarre sich da je einschalten müssen?«
»Manchmal mußten wir das, wenn etwas nicht klappte. Wenn ein Fötus irgendwelche Probleme hatte, beispielsweise. Man kann nicht auf Roboter vertrauen, die Lage richtig einzuschätzen, wenn es um menschliches Leben geht.«
Baley nickte. »Das Risiko wäre zu groß, daß er eine Fehlentscheidung trifft und dabei ein Leben verlorengeht, stelle ich mir vor.«
»Ganz und gar nicht! Das Risiko wäre zu groß, daß er ein Leben überbewertet und eines zuviel bewahrt.« Die Frau blickte streng. »Als Fötal-Ingenieure, Baley, sorgen wir dafür, daß gesunde Kinder geboren werden – ausschließlich gesunde. Selbst die beste Gen-Analyse der Eltern kann nicht sicherstellen, daß alle Gen-Permutationen und -Kombinationen positiv sind, ganz zu schweigen von der Gefahr von Mutationen. Das ist unsere große Sorge: eine unerwartete Mutation. Wir haben die Rate jetzt auf weniger als ein Promille heruntergedrückt; aber das bedeutet, daß wir im Durchschnitt einmal in zehn Jahren Ärger bekommen.«
Sie bedeutete ihm, ihr über einen Laufgang zu folgen, und meinte: »Ich zeige Ihnen jetzt die Kindergärten und die Schlafsäle. Die sind ein viel größeres Problem als die Föten. Bei denen können wir nämlich nur in sehr beschränktem Maße Roboter-Arbeit einsetzen.«
»Warum?«
»Das würden Sie dann wissen, Baley, wenn Sie je versucht hätten, einem Roboter beizubringen, wie wichtig Disziplin ist. Das erste Gesetz
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