Foundation 03: Der Aufbruch zu den Sternen
mit anderen Frauen darüber gesprochen, und alle taten so, als wäre es eine widerwärtige Pflicht, die alle Solarianer auf sich nehmen müssen. Wenn sie die ihnen erlaubte Kinderzahl hatten, sagten sie immer, sie wären entzückt, daß sie damit – so haben sie es genannt –, ›damit‹ jetzt nichts mehr zu tun hätten.«
»Hast du ihnen geglaubt?«
»Natürlich habe ich das. Ich hatte nie etwas anderes gehört, und das wenige von außerhalb Solaria, was ich gehört hatte, galt als Übertreibung. Auch das habe ich geglaubt. Mein Mann fand ein paar Bücher, die ich hatte, bezeichnete sie als Pornografie und ließ sie vernichten. Und dann ist es auch so, weißt du, daß die Leute sich selbst dazu bringen können, alles zu glauben. Ich denke, die solarianischen Frauen glaubten, was sie sagten, und fanden Geschlechtsverkehr wirklich widerwärtig. Es klang sehr aufrichtig, wenn sie davon redeten, und in mir entstand dabei das Gefühl, daß etwas in mir schrecklich falsch sein mußte, weil da bei mir eine gewisse Neugierde war – und seltsame Gefühle, die ich nicht verstehen konnte.«
»Du hast damals keine Roboter benutzt, um dich irgendwie zu befriedigen?«
»Nein, das ist mir nie in den Sinn gekommen. Auch keine leblosen Gegenstände. Gelegentlich wurde von solchen Dingen geflüstert, aber mit solchem Entsetzen – oder vorgeblichem Entsetzen –, daß ich nicht einmal im Traum daran gedacht hätte, etwas Derartiges zu tun. Natürlich hatte ich Träume, und manchmal wachte ich von etwas auf, das, wie ich jetzt rückblickend glaube, eine Art Orgasmus war. Damals habe ich das natürlich nicht verstanden und wagte auch nicht, davon zu reden. Ich schämte mich sogar sehr darüber. Noch schlimmer, das Vergnügen, das mir diese Gefühle bereiteten, machte mir Angst. Und dann kam ich natürlich nach Aurora.«
»Davon hast du mir erzählt. Mit Auroranern war der Sex aber auch unbefriedigend.«
»Ja. Ich dachte damals, daß die Solarianer doch recht hatten. Sex war ganz und gar nicht wie meine Träume. Bis Jander kam, verstand ich es nicht. Das, was die hier auf Aurora haben, ist nicht Sex, das ist… das ist… nun ja, so eine Art Choreographie. Jeder Schritt dazu wird von der Mode diktiert, von der Art der Annäherung bis zum Augenblick, in dem man sich wieder trennt. Da ist nichts Unerwartetes, nichts Spontanes. Auf Solaria ist kein Geben und kein Nehmen, weil da so wenig Sex ist. Und auf Aurora ist das Ganze so stilisiert, daß am Ende auch kein Geben und Nehmen stattfindet, verstehst du?«
»Ich weiß es nicht, Gladia, weil ich nie mit einer auroranischen Frau Verkehr gehabt habe, noch, was das angeht, nie ein auroranischer Mann gewesen bin. Aber eine Erklärung ist nicht notwendig. Ich habe so in etwa eine Vorstellung, was du meinst.«
»Und sie ist dir schrecklich peinlich, nicht wahr?«
»Nicht so, daß ich nicht zuhören könnte.«
»Aber dann lernte ich Jander kennen, und lernte es, ihn zu gebrauchen. Er war kein auroranischer Mann. Sein einziges Ziel, sein einzig mögliches Ziel war es, mir Freude zu bereiten. Er gab, und ich nahm, so erlebte ich zum erstenmal Sex so, wie es sein sollte. Kannst du das verstehen? Kannst du dir vorstellen, wie es sein muß, wenn man plötzlich weiß, daß man nicht verrückt oder verdreht oder pervertiert ist oder einfach nur unrecht hat – sondern zu wissen, daß man eine Frau ist und einen Körper hat und einen Sexpartner, der einen befriedigt?«
»Ich glaube, ich kann mir das vorstellen.«
»Und dann wird mir das nach so kurzer Zeit alles weggenommen. Ich dachte… ich dachte, das sei das Ende. Nie wieder, mein ganzes Leben lang, ein paar Jahrhunderte lang sollte ich wieder eine gute sexuelle Beziehung haben. Sie von Anfang an nicht gehabt zu haben – und sie dann überhaupt nicht zu haben –, war schon schlimm genug. Aber sie entgegen aller Erwartungen zu bekommen, sie zu haben und sie dann plötzlich zu verlieren und wieder zum Nichts zurückzukehren, das war unerträglich! Jetzt weißt du, wie wichtig die vergangene Nacht für mich war.«
»Aber warum ich, Gladia? Warum nicht jemand anderer?«
»Nein, Elijah, das mußtest du sein. Wir kamen und fanden dich, Giskard und ich, und du warst hilflos. Wahrhaft hilflos. Du warst nicht bewußtlos, aber du hattest die Herrschaft über deinen Körper verloren. Man mußte dich aufheben und tragen und in den Wagen legen. Ich war dabei, als man dich wärmte und behandelte, badete und trocknete. Und die ganze Zeit über
Weitere Kostenlose Bücher