Foundation 04: Das galaktische Imperium
Daneel. »Wahrscheinlich hätte ich
sie sofort verstanden, wenn mir die Drei Gesetze nicht im Wege
gestanden wären. Mein Freund Giskard, der schon lange das
Gefühl hatte, daß die Drei Gesetze unvollständig
seien, hat mir bei meiner Suche geholfen. Einiges, was Lady Gladia in
letzter Zeit bei einer Rede auf einer Siedler-Welt gesagt hat, hat
mir dabei geholfen. Und darüber hinaus hat mir diese
augenblickliche Krise dabei geholfen, mein Denkvermögen zu
schärfen, Lady Vasilia. Mir ist jetzt klar, in welcher Weise die
Drei Gesetze unvollständig sind.«
»Ein Roboter, der auch Robotiker ist«, sagte Vasilia mit
einer Stimme, die beinahe verächtlich klang. »In welcher
Weise sind die Drei Gesetze unvollständig, Roboter?«
»Das Gewebe des Lebens ist wichtiger als ein einzelner
Faden«, sagte Daneel. »Sie brauchen das nur nicht auf
meinen Partner Elijah allein anzuwenden, sondern es verallgemeinern,
und… und… und daraus ziehen wir den Schluß, daß
die Menschheit als Ganzes wichtiger ist als ein einzelnes
menschliches Wesen.«
»Die Worte stocken dir, wenn du das sagst, Roboter. Du
glaubst es nicht.«
Doch jetzt klang Daneels Stimme gleichmäßig und fest,
als er sagte: »Es gibt ein Gesetz, das noch größer
ist als das Erste Gesetz: ›Ein Roboter darf der Menschheit
keinen Schaden zufügen oder durch Untätigkeit zulassen,
daß der Menschheit Schaden zugefügt wird.‹ In meinen
Gedanken ist das jetzt das Nullte Gesetz der Robotik. Das Erste
Gesetz sollte daher jetzt so formuliert werden: ›Ein Roboter
darf einem menschlichen Wesen keinen Schaden zufügen oder durch
Untätigkeit zulassen, daß einem menschlichen Wesen Schaden
zugefügt wird, es sei denn, dies würde das Nullte Gesetz
der Robotik verletzen.‹«
»Und du stehst immer noch auf deinen Füßen,
Roboter?« schnaubte Vasilia.
»Ich stehe immer noch auf meinen Füßen,
Madam.«
»Dann werde ich dir jetzt etwas erklären, Roboter, und
wir werden sehen, ob du die Erklärung überleben wirst. -
Die Drei Gesetze der Robotik befassen sich mit individuellen
menschlichen Wesen und individuellen Robotern. Man kann auf ein
individuelles menschliches Wesen oder auf einen individuellen Roboter
zeigen. Aber was ist deine ›Menschheit‹ anderes als eine
Abstraktion? Kannst du auf die Menschheit zeigen? Du kannst einem
spezifischen menschlichen Wesen Schaden zufügen oder dies nicht
tun und verstehen, was geschehen ist – ob ihm nämlich
Schaden zugefügt worden ist oder nicht. Kannst du einen Schaden
sehen, den man der Menschheit zugefügt hat? Kannst du ihn
verstehen? Kannst du darauf deuten?«
Daneel blieb stumm.
Vasilia lächelte breit. »Antworte, Roboter! Kannst du
einen Schaden sehen, den man der Menschheit zufügt, und darauf
zeigen?«
»Nein, Madam, das kann ich nicht. Aber ich glaube, daß
dennoch ein solcher Schaden existiert; und wie Sie sehen, stehe ich
immer noch auf meinen Füßen.«
»Dann frage Giskard, ob er deinem Nullten Gesetz der Robotik
gehorchen wird oder kann.«
Daneel drehte sich zu Giskard herum. »Freund
Giskard?«
Giskard sagte langsam: »Ich kann das Nullte Gesetz nicht
akzeptieren, Freund Daneel. Du weißt, daß ich mich viel
mit der Lektüre der menschlichen Geschichte befaßt habe.
Dabei habe ich große Verbrechen gefunden, die menschliche Wesen
gegeneinander begangen haben; und die Entschuldigung dafür war
stets, daß diese Verbrechen durch die Bedürfnisse des
Stammes oder des Staates oder selbst der Menschheit gerechtfertigt
gewesen seien. Gerade weil die Menschheit eine Abstraktion ist, auf
die man sich so leicht berufen kann, um alles mögliche zu
rechtfertigen, ist dein Nulltes Gesetz ungeeignet.«
Daneel wandte ein: »Aber du weißt, Freund Giskard,
daß jetzt eine Gefahr für die Menschheit existiert, und
daß diese Gefahr ganz sicher konkret werden wird, wenn du das
Eigentum von Madam Vasilia wirst; das zumindest ist keine
Abstraktion.«
»Die Gefahr, auf die du dich beziehst, ist nicht etwas
Bekanntes, sondern nur etwas Unterstelltes. Darauf können wir
keine Handlung aufbauen, die im Widerspruch zu den Drei Gesetzen
steht.«
Daneel blieb einen Augenblick lang stumm und sagte dann mit
leiserer Stimme: »Aber du hoffst, daß deine Studien der
menschlichen Geschichte dir dabei helfen werden, Gesetze zu
entwickeln, die das menschliche Verhalten regieren; du hoffst zu
lernen, wie man die menschliche Geschichte vorhersagen und lenken
kann – oder zumindest einen Anfang zu machen, auf daß
eines Tages
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