Foundation 05: Das Foundation-Projekt
gesamten Gerichtssaales
zu weinen.
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Es war ein herrlicher Tag, weder zu warm, noch zu kalt, weder zu
hell, noch zu grau. Auch wenn die Mittel für
Landschaftsgestaltung schon vor Jahren gestrichen worden waren, die
wenigen, hoch aufgeschossenen Sträucher neben der Treppe zur
Galaktischen Bibliothek unterstrichen die heitere Atmosphäre
dieses Morgens. (Die Bibliothek war im klassischen Stil der Antike
erbaut und besaß einen der prächtigsten
Treppenaufgänge im ganzen Imperium, lediglich übertroffen
von der Freitreppe am Eingang zum Kaiserlichen Palast. Die meisten
Besucher zogen es jedoch vor, das Gebäude über die
Gleitschiene zu betreten.) Seldon setzte große Hoffnungen in
diesen Tag.
Seit man ihn und Stettin Palver von der jüngsten Anklage
wegen vorsätzlicher Körperverletzung in allen Punkten
freigesprochen hatte, fühlte er sich wie neugeboren. Es war eine
bittere Erfahrung gewesen, doch da die Sache in aller
Öffentlichkeit ausgetragen wurde, hatte sie Seldons Anliegen
eher gefördert. Richterin Tejan Popjens Lih, die als eine der
einflußreichsten, wenn nicht die einflußreichste
Richterin auf Trantor galt, hatte am Tag nach Rial Nevas’
gefühlsbetonter Aussage ihrer Meinung in sehr deutlichen Worten
Ausdruck verliehen.
»Wenn wir in unserer zivilisierten Gesellschaft soweit
gekommen sind«, verkündete die Richterin, »daß
ein angesehener Mann wie Professor Seldon von seinen Mitmenschen nur
deshalb gedemütigt, geschmäht und belogen wird, weil er
ist, wer er ist, und weil er einen bestimmten Standpunkt vertritt,
dann erlebt das Imperium wahrhaft düstere Zeiten. Ich gestehe
gern, daß auch ich mich habe täuschen lassen –
jedenfalls zu Anfang. ›Warum sollte Professor Seldon‹, so
argumentierte ich, ›nicht zu solchen Mitteln greifen, um
seine Prognosen zu erhärten?‹ Doch mit der Zeit sah ich
ein, daß ich einem höchst bedauerlichen Irrtum erlegen
war.« Hier legte die Richterin die Stirn in Falten, ein tiefes
Dunkelblau kroch ihr den Hals herauf und bis in die Wangen.
»Denn ich hatte Professor Seldon Motive unterstellt, die typisch
sind für unsere neue Gesellschaft, für eine Gesellschaft,
in der man sich in Lebensgefahr begibt, wenn man für
Ehrlichkeit, Anstand und guten Willen eintritt, für eine
Gesellschaft, in der man offenbar auf Unredlichkeit und Betrug
zurückgreifen muß, wenn man überleben will.
Wie weit haben wir uns doch von unseren einstigen Grundsätzen
entfernt! Diesmal hatten wir noch einmal Glück, Mitbürger
von Trantor. Wir sind Professor Hari Seldon zu Dank verpflichtet,
weil er uns gezeigt hat, wie wir wirklich sind; nehmen wir uns ein
Beispiel an ihm und fassen wir den Entschluß, wachsam zu sein
gegen die niederen Regungen unserer menschlichen Natur.«
Im Anschluß an das Verfahren hatte der Kaiser Seldon mit
einer Holo-Scheibe beglückwünscht und darauf auch die
Hoffnung zum Ausdruck gebracht, daß Seldon vielleicht jetzt
neue Mittel für sein Projekt würde auftreiben
können.
Während sich Seldon auf der Gleitschiene dem Eingang zutragen
ließ, überdachte er die gegenwärtige Situation seines
Projekts Psychohistorik. Sein guter Freund – der einstige
Chefbibliothekar Las Zenow – hatte sich zur Ruhe gesetzt. In
seiner Amtszeit hatte sich Zenow immer wieder energisch hinter Seldon
und seine Arbeit gestellt. Nur allzu häufig waren ihm freilich
durch den Verwaltungsrat der Bibliothek die Hände gebunden
gewesen. Aber, so hatte er Seldon versichert, der liebenswürdige
neue Chefbibliothekar Tryma Acarnio denke ebenso fortschrittlich wie
er selbst und sei zudem bei vielen Fraktionen im Verwaltungsrat
beliebt.
»Hari, mein Freund«, hatte Zenow noch gesagt, ehe er
Trantor verließ, um auf seine Heimatwelt Wencory
zurückzukehren, »Acarnio ist ein guter Mann, er hat einen
scharfen Verstand und ist aufgeschlossen für alles Neue. Ich bin
überzeugt, daß er sein möglichstes tun wird, um Sie
und Ihr Projekt zu unterstützen. Ich habe ihm den gesamten
Datenbestand über Sie und Ihre Enzyklopädie hinterlassen;
er wird ebenso begeistert sein wie ich von diesem großartigen
Geschenk an die Menschheit. Geben Sie gut auf sich acht, mein Freund
– ich werde Sie in bester Erinnerung behalten.«
Und nun stand sein erstes, offizielles Treffen mit dem neuen
Chefbibliothekar bevor. Las Zenows Beteuerungen stimmten ihn
zuversichtlich, und er freute sich darauf, seine Zukunftspläne
für das Projekt und die Enzyklopädie mit jemandem
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