Foundation 05: Das Foundation-Projekt
den hellen Deckenlampen wärmen.
Gelegentlich, so erfuhr Wanda von seinen Kollegen, drängte ihn
sein Leibwächter, ein Mann namens Stettin Palver, zu einem
Spaziergang unter der Kuppel oder versuchte, ihn in ein Gespräch
über den künftigen Kurs des Projekts zu verwickeln.
Wanda flüchtete sich noch mehr in das Studium der
faszinierenden Gleichungen, die ihr Primärradiant erzeugte. Sie
spürte, wie die Zukunft, die ihr Großvater unter
Aufbietung aller Kräfte geformt hatte, allmählich Gestalt
annahm, und sah, daß er recht behielt: Die Enzyklopädisten
mußten auf Terminus angesiedelt werden; sie würden die
Foundation verkörpern.
Und Sektion 33A2D17 – ihr entnahm Wanda, was Seldon als die
Zweite, die geheime Foundation bezeichnete. Aber wie sollte sie
entstehen? Ohne Seldons aktive Mitarbeit wußte Wanda nicht ein
noch aus. Und solange ihr die Trauer über den Verlust ihrer
Familie fast das Herz zerriß, brachte sie auch nicht die Kraft
auf, eine eigene Strategie zu erarbeiten.
Die Angehörigen des eigentlichen Projekts – an die
fünfzig Unentwegte waren noch geblieben – setzten ihre
Arbeit so gut wie möglich alleine fort. Die meisten waren
Enzyklopädisten, und sie hatten genug zu tun mit der Auswahl der
Quellen, die sie vor dem Umzug nach Terminus würden kopieren und
katalogisieren müssen – immer vorausgesetzt, man bekam noch
einmal unbeschränkten Zugang zur Galaktischen Bibliothek. Im
Moment konnte man darauf nur hoffen. Seit sogar Professor Seldon sein
Privatbüro dort hatte räumen müssen, waren die
Aussichten gering, daß man anderen Projektmitgliedern
irgendwelche Sonderrechte einräumen würde.
Die übrigen Mitarbeiter (neben den Enzyklopädisten)
waren analytische Historiker und Mathematiker. Die Historiker
interpretierten menschliche Verhaltensweisen und geschichtliche
Ereignisse aus Vergangenheit und Gegenwart. Was sie dabei
herausfanden, gaben sie weiter an die Mathematiker, die in einem
langwierigen und mühsamen Verfahren sämtliche Informationen
in die große Psychohistorische Gleichung einbauten.
Viele Mitarbeiter waren gegangen, weil sie die Arbeit als
undankbar empfanden – Psychohistoriker wurden auf Trantor
vielfach mit Spott überhäuft, außerdem hatte Seldon,
als die Mittel immer knapper wurden, drastische Gehaltskürzungen
vornehmen müssen. Aber Hari Seldons ständige Anwesenheit
hatte – bis jetzt – immer noch die Wogen geglättet und
die ungünstigen Bedingungen ausgeglichen. Ja, diejenigen
Projektmitglieder, die geblieben waren, hatten sich dazu ohne
Ausnahme aus Respekt und Verehrung für Professor Seldon
entschlossen.
Und nun, dachte Wanda Seldon verbittert, was sollte sie nun noch
halten? Ein leichter Wind blies ihr eine Haarsträhne in die
Augen; sie strich sie achtlos zurück und fuhr mit dem
Unkrautjäten fort.
»Miss Seldon, könnte ich Sie wohl einen Augenblick
sprechen?« Wanda wandte sich um und sah auf. Ein junger Mann
– Anfang zwanzig, ihrer Schätzung nach – stand neben
ihr auf dem Kiesweg. Er war stark und ungemein intelligent, das
spürte sie sofort. Ihr Großvater hatte eine kluge Wahl
getroffen. Wanda erhob sich.
»Ich weiß, wer Sie sind. Der Leibwächter meines
Großvaters, nicht wahr? Stettin Palver, wenn ich mich recht
entsinne?«
»Ganz richtig, Miss Seldon.« Palver war vor Freude
darüber, daß sich ein so hübsches Mädchen
überhaupt mit ihm abgab, ein wenig rot geworden. »Miss
Seldon, ich wollte mich mit Ihnen über Ihren Großvater
unterhalten. Ich mache mir große Sorgen um ihn. Wir müssen
etwas unternehmen.«
»Aber was, Mr. Palver? Ich bin ratlos. Seit mein
Vater…« – sie schluckte hart, als falle ihr das
Sprechen schwer -»seit mein Vater tot ist und meine Mutter und
meine Schwester vermißt werden, habe ich schon Mühe, ihn
morgens aus dem Bett zu bekommen. Und mich hat das Unglück
ebenfalls tief getroffen. Das verstehen Sie doch?« Ein Blick in
seine Augen, und sie wußte, daß er verstand.
»Miss Seldon«, sagte Palver leise, »Sie haben mein
tiefstes Mitgefühl. Aber Sie und Professor Seldon sind noch am
Leben, und Sie müssen die Arbeit an der Psychohistorik
fortsetzen. Der Professor scheint aufgegeben zu haben. Ich hatte
gehofft, daß Sie – wir – vielleicht etwas finden
könnten, das ihm neue Hoffnung gibt. Sie wissen schon, einen
Grund, um weiterzumachen.«
Ach, Mr. Palver, dachte Wanda. Vielleicht hat
Großpapa ja recht. Ich weiß doch selbst nicht, ob es
einen Grund gibt, um weiterzumachen. Laut
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