Foundation 05: Das Foundation-Projekt
geben, nur um zu sehen, was in ihm steckt?«
Raych zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht. Schon möglich. – Aber wenn er irgend etwas gegen dich im Schild geführt hätte, wäre er keinen Schritt weit gekommen. Ich wäre ihm sofort an die Kehle gesprungen.«
»Dann ist deine Anhänglichkeit mir gegenüber stärker als deine Sorge um das Imperium?«
»Klar. Du bist doch mein Vater.«
Seldon schenkte Raych einen liebevollen Blick, spürte aber doch eine leise Unsicherheit. Wie weit konnte Joranums fast hypnotischer Einfluß gehen?
9
Hari Seldon lehnte sich zurück, die senkrecht gestellte Sessellehne gab nach und gestattete ihm eine bequeme Ruhelage. Er verschränkte die Hände hinter dem Kopf, sein Blick verschwamm. Seine Atemzüge waren kaum noch zu hören.
Am anderen Ende des Raumes hatte Dors Venabili ihr Lesegerät abgeschaltet und die Mikrofilme weggeräumt. Sie hatte bis jetzt angestrengt an ihren Ausführungen über den Florina-Zwischenfall in der Frühgeschichte Trantors gearbeitet und fand es nun recht erholsam, für ein paar Minuten die Hände in den Schoß zu legen und zu raten, worüber Seldon wohl nachdachte.
Gewiß ging es wieder einmal um die Psychohistorik. Wahrscheinlich würde er bis an sein Lebensende damit beschäftigt sein, allen Verästelungen dieses halbchaotischen Gedankengebäudes nachzuspüren, um die Vollendung seines gewaltigen Werkes schließlich doch anderen (zum Beispiel Amaryl, falls sich der junge Mann bis dahin nicht ebenfalls aufgerieben hatte) überlassen zu müssen. Und das würde ihm das Herz brechen.
Aber es gab seinem Dasein einen Sinn. Mit einem Problem, das ihn völlig ausfüllte, würde er länger leben – und das befriedigte sie. Sie war sich bewußt, daß sie ihn eines Tages verlieren würde, und der Gedanke daran schmerzte. Das war nicht immer so gewesen, schon gar nicht zu Anfang, als sie einfach nur den Auftrag gehabt hatte, ihn wegen seines Wissens zu beschützen.
Wann hatte sich daraus ein persönliches Bedürfnis entwickelt? Wie konnte ein so persönliches Bedürfnis überhaupt entstehen? Was hatte der Mann an sich, daß sie sich unbehaglich fühlte, sobald sie ihn nicht mehr im Blickfeld hatte, auch wenn sie wußte, daß er in Sicherheit war und folglich die Befehle, die ihr sozusagen in Fleisch und Blut übergegangen waren, gar nicht wirksam zu werden brauchten? Eigentlich sollte sie sich nur um seine Sicherheit kümmern. Wie hatte sich das andere einschleichen können?
Schon vor langer Zeit, als sie sich ihre Gefühle nicht mehr verhehlen konnte, hatte sie Demerzel davon erzählt.
Er hatte sie ernst angesehen und gesagt: »Du bist komplex, Dors, und deshalb gibt es keine einfachen Antworten. Ich bin in meinem Leben mehreren Individuen begegnet, deren Gegenwart mir das Denken erleichterte und angenehme Empfindungen in mir weckte. Ich habe versucht, diese angenehmen Empfindungen beziehungsweise meine unerfreulichen Reaktionen, nachdem diese Personen mich endgültig verlassen hatten, gegeneinander abzuwägen, um festzustellen, ob eine solche Beziehung letztlich ein Gewinn oder ein Verlust für mich war. Dabei wurde eines offenbar. Die Freude an der Gesellschaft bestimmter Menschen überwog die Trauer über den Abschied von ihnen. Insgesamt gesehen ist es also besser, zu erleben, was du jetzt erlebst, als es nicht zu erleben.«
Sie dachte: Eines Tages wird Hari eine große Leere hinterlassen, und dieser Tag rückt täglich näher. Ich darf nicht daran denken.
Um von dieser Vorstellung loszukommen, sprach sie ihn schließlich an. »Woran denkst du, Hari?«
»Wie bitte?« Mit sichtlicher Mühe stellte Seldon seinen Blick wieder scharf.
»An die Psychohistorik, nehme ich an. Steckst du wieder einmal in einer Sackgasse?«
»Aber, aber. Nichts dergleichen liegt mir auf der Seele.« Er mußte plötzlich lachen. »Soll ich dir sagen, woran ich denke? – An Haare!«
»Haare? Wessen Haare?«
»Im Moment an die deinen.« Er sah sie zärtlich an.
»Ist etwas nicht in Ordnung damit? Sollte ich sie anders färben? Oder sollten sie nach so vielen Jahren vielleicht doch endlich grau werden?«
»Komm! Wer sollte ausgerechnet dir graues Haar wünschen? – Aber die Haare haben mich auf andere Dinge gebracht. Zum Beispiel auf Nishaya.«
»Nishaya? Was ist das?«
»Es war nicht Teil des präimperialen Königreichs Trantor, kein Wunder also, daß du noch nie davon gehört hast. Es ist eine Welt, eine kleine Welt. Entlegen. Unscheinbar. Vergessen. Auch
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