Foundation 05: Das Foundation-Projekt
es am unwahrscheinlichsten ist, daß man ihm auf die Schliche kommt.«
»Aber das ist doch lächerlich, Hari. Warum sollte er behaupten, von dieser Welt zu kommen, obwohl es gar nicht stimmt? Dazu wäre doch Aktenfälschung in großem Umfang erforderlich.«
»Die dürfte er auch betrieben haben. Vermutlich hat er genügend Anhänger im öffentlichen Dienst, die es ihm ermöglichten. Ich nehme an, daß nie eine größere Revision stattgefunden hat, und seine Gefolgsleute sind viel zu fanatisch, um darüber zu reden.«
»Aber trotzdem – Warum?«
»Ich habe den Verdacht, Joranum will nicht, daß die Leute erfahren, woher er wirklich stammt.«
»Warum nicht? Alle Welten im Imperium sind gleich, vor dem Gesetz wie in der Praxis.«
»Da bin ich mir nicht so sicher. Das sind idealistische Theorien, die der Wirklichkeit leider nie so recht standhalten wollen.«
»Aber woher stammt er denn nun? Hast du irgendeine Vorstellung?«
»Ja. Und das bringt mich wieder zu den Haaren zurück.«
»Was ist denn nun mit den Haaren?«
»Als ich mit Joranum zusammensaß und ihn ansah, spürte ich ein vages Unbehagen, ohne zu wissen, warum. Endlich wurde mir klar, daß es sein Haar war, das dieses Unbehagen auslöste. Es hatte irgend etwas an sich, einen bestimmten Glanz, als wäre es lebendig… es war so vollkommen, wie ich es noch nie gesehen hatte. Und dann kam mir die Erleuchtung. Er hat künstliches Haar, und es wurde sorgfältig auf einer Kopfhaut gezüchtet, die mit so etwas eigentlich niemals in Berührung kommen sollte.«
»Sollte?« Dors’ Augen wurden schmal. Sie hatte offensichtlich begriffen. »Willst du damit sagen…?«
»Ja. Genau das will ich sagen. Er stammt aus dem rückwärtsgewandten, mythologiebesessenen Mykogen-Bezirk auf Trantor. Und das sucht er mit so viel Aufwand zu verbergen.«
10
Dors Venabili dachte über diese Eröffnung ganz sachlich nach. Sachlich – denn so und nur so liefen ihre Denkprozesse ab. Leidenschaftliche Gefühlsaufwallungen waren ihr versagt.
Sie schloß die Augen und konzentrierte sich. Acht Jahre war es her, seit sie mit Hari Mykogen besucht hatte, und sie hatten sich nicht lange dort aufgehalten. Außer der Nahrung war ihnen kaum etwas untergekommen, was ihre Bewunderung erregt hätte.
Nun stiegen die ersten Bilder auf. Die autoritäre, puritanische, von Männern dominierte Gesellschaftsform; die starke Betonung der Vergangenheit; die Entfernung jeglicher Körperbehaarung, ein schmerzhafter Vorgang, dem man sich freiwillig unterzog, um anders zu sein, zu wissen, wer man war; die Sagen und Legenden; die (vielleicht nur utopischen) Erinnerungen an eine Zeit, in der man die Galaxis beherrschte, in der man sich eines ungewöhnlich langen Lebens erfreute, in der es Roboter gab.
Dors schlug die Augen auf und fragte: »Warum, Hari?«
»Warum was, mein Liebes?«
»Warum sollte er vortäuschen, nicht von Mykogen zu stammen?«
Sie glaubte nicht nur nicht, daß seine Erinnerungen an Mykogen präziser waren als die ihren, sie wußte es sogar genau, aber sein Verstand funktionierte besser – oder jedenfalls anders als der ihre. Sie konnte lediglich Erinnerungen heraufbeschwören und daraus nach Art einer mathematischen Deduktion die offensichtlichen Schlüsse ziehen. Er dagegen war zu unvermuteten Gedankensprüngen fähig. Seldon tat zwar immer so, als sei alles, was mit Intuition zusammenhing, die Domäne seines Assistenten Yugo Amaryl, aber darauf fiel Dors nicht herein. Seldon gab sich auch gern als der versponnene Mathematiker, der die Welt mit staunend geweiteten Augen betrachtete, und diese Pose durchschaute sie ebenfalls.
»Warum sollte er vortäuschen, nicht von Mykogen zu sein?« wiederholte sie, während er dasaß, den Blick nach innen gerichtet, wie um – so Dors’ Beschreibung – noch einen winzigen Tropfen mehr Nutzen und Beweiskraft aus dem Denksystem der Psychohistorik herauszupressen.
Endlich sagte Seldon: »Es ist eine autoritäre Gesellschaft, eine Gesellschaft, die ihren Mitgliedern Einschränkungen auferlegt. Einige gibt es immer, die sich dagegen sträuben, sich jeden Handgriff, jeden Gedanken vorschreiben zu lassen. Und einige stellen irgendwann fest, daß sie sich nie daran gewöhnen werden, im Geschirr zu gehen, sondern lieber in der profanen Welt außerhalb Mykogens ein freieres Leben führen wollen. Das ist nur zu verständlich.«
»Und deshalb lassen sie sich künstliches Haar wachsen?«
»Nein, nicht alle. Der gewöhnliche Renegat –
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