Foundation 06: Die Grösse des Imperiums
sich. Für einen Moment war ihm die Größe gar nicht so fremd… Doch schon hatte sich sein Bewußtsein wieder abgeschottet.
Ein Bodenwagen flitzte vorbei.
»Sind das ›Herren‹?« flüsterte Rik.
Er hatte nur einen flüchtigen Eindruck gewonnen. Kurzgeschorenes Haar, weite Ärmel in satten, kräftigen Blau- und Violettönen, Kniehosen aus samtigem Material und lange, dünne, schimmernde Strümpfe, die wie aus feinstem Kupferdraht gesponnen schienen. Die Insassen des Wagens hatten Rik und Terens keines Blickes gewürdigt.
»Junge ›Herren‹«, antwortete Terens. Er hatte, seit er Sark verlassen hatte, mit diesen Halbwüchsigen keine Berührung mehr gehabt. Sie waren schon auf Sark schlimm genug gewesen, aber da hatten sie wenigstens hingehört. Hier, dreißig Fuß über der Hölle hatten Engel nichts zu suchen. Abermals brach eine Woge von Haß über ihn herein.
Von hinten kam ein flacher Zweisitzer herangezischt, ein neues Modell, das auch fliegen konnte, im Augenblick aber zwei Zoll über dem Boden dahinglitt. Alle Kanten der glänzenden Flachkarosserie waren nach oben abgerundet, um den Luftwiderstand zu verringern. Dennoch erzeugte der Fahrtwind, der über die Unterseite strich, jenes charakteristische Zischen, das soviel bedeutete wie ›Gendarmen‹.
Die Insassen waren groß und stark wie alle Gendarmen; breite, flächige Gesichter, langes, glattes, schwarzes Haar, hellbrauner Teint. Für die Eingeborenen sah ein Gendarm aus wie der andere, und die glänzend schwarzen, an allen geeigneten Stellen mit silbernen Schnallen und Zierknöpfen versehenen Uniformen verstärkten diesen Eindruck von Austauschbarkeit noch mehr, indem sie die Gesichter in den Hintergrund treten ließen.
Ein Gendarm saß am Steuer. Der andere schwang sich behende über den flachen Rand des Wagens.
»Mappe!« sagte er, fixierte die Papiere einen Moment lang mit starrem Blick und warf sie Terens wieder zu. »Was willst du hier?«
»Ich habe vor, die Bibliothek aufzusuchen, Wachtmeister. Als Schultheiß bin ich dazu berechtigt.«
Der Gendarm wandte sich an Rik. »Und was ist mit dir?«
»Ich…«, begann Rik.
»Er ist mein Assistent«, schaltete sich Terens ein.
»Aber er hat nicht die Rechte eines Schultheißen«, stellte der Gendarm fest.
»Ich übernehme die Verantwortung für ihn.«
Der Gendarm zuckte die Achseln. »Das ist dein Problem. Schultheißen haben gewisse Sonderrechte, aber deshalb sind sie noch lange keine ›Herren‹. Vergiß das nicht, Bursche.«
»Gewiß, Wachtmeister. Könnten Sie mir vielleicht sagen, wie ich zur Bibliothek komme?«
Der Gendarm wies ihm mit dem schmalen, todbringenden Lauf seiner Nadlerpistole den Weg. Von da, wo sie jetzt standen, war die Bibliothek als leuchtend zinnoberroter Klecks zu erkennen, der in den oberen Stockwerken in Purpurrot überging. Als sie näher kamen, kroch das Purpur immer weiter nach unten.
»Ich finde das alles häßlich«, brach es jäh aus Rik heraus.
Terens sah ihn erstaunt an. Er war von seiner Zeit auf Sark her an diese Architektur gewöhnt, doch auch er empfand die grelle Farbenpracht der Oberen Stadt als ziemlich vulgär. Aber schließlich war die Obere Stadt auch sarkitischer als das eigentliche Sark. Dort waren nicht alle Menschen Aristokraten. Es gab sogar arme Sarkiten, manchen ging es kaum besser als dem Durchschnittsfloriner. Hier lebte nur die Spitze der Pyramide, und das zeigte sich unter anderem an der Bibliothek.
Sie war größer als die meisten derartigen Einrichtungen auf Sark und sehr viel größer, als es für die Obere Stadt erforderlich gewesen wäre, aber das lag daran, daß Arbeitskräfte hier billig waren. Terens blieb auf der Rampe stehen, die in weitem Bogen zum Haupteingang hinaufführte. Der Anstrich täuschte Stufen vor, ein optischer Trick, der Rik so verwirrte, daß er stolperte, aber der Bibliothek jenes archaische Flair verlieh, das man von jeher mit akademischen Gebäuden in Verbindung brachte.
Die große Eingangshalle war kalt und nahezu leer. Nur ein einziger Schreibtisch stand darin, und dahinter saß eine Bibliothekarin, die an eine kleine, verschrumpelte Erbse in einer aufgequollenen Schote erinnerte. Als die beiden eintraten, sah sie auf und wollte sich erheben.
Terens sagte hastig. »Ich bin Schultheiß und habe eine Sondergenehmigung. Der Eingeborene hier steht unter meiner Aufsicht.« Er hielt seine Papiere schon bereit und trug sie wie einen Schild vor sich her.
Die Bibliothekarin setzte sich wieder und machte
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