Foundation 06: Die Grösse des Imperiums
diesem Thema erschienen. Samia hatte sie aufmerksam gelesen, doch letzten Endes lief alles wieder auf die Erklärung des Kindermädchens hinaus. Kyrt war Kyrt, weil es eben Kyrt war. Was nicht Kyrt war, war nicht Kyrt, weil es eben kein Kyrt war.
Natürlich glänzte das Kyrt nicht von selbst, aber bei richtiger Verarbeitung blinkte es im Sonnenlicht wie blankes Metall in den verschiedensten Farben oder in allen Farben zugleich. Mit einem bestimmten Verfahren konnte man den Faden gar funkeln lassen wie tausend Diamanten, und mit geringem Aufwand ließ er sich bis 600 “C hitzebeständig und gegen die meisten Chemikalien unempfindlich machen. Kyrtfasern ließen sich feiner verspinnen als das zarteste Synthetikmaterial und waren zugleich reißfester als jede bekannte Stahllegierung.
Von der Verwendung her war Kyrt vielseitiger als jeder andere Stoff, den die Menschheit kannte. Wenn es nicht so teuer gewesen wäre, hätte man damit in unendlich vielen Industriezweigen Glas, Metall oder Plastik ersetzen können. Trotz des hohen Preises kam für die Fadenkreuze bei optischen Geräten nichts anderes zum Einsatz, auch die Gußformen bei der Herstellung der Hydrochrone für Hyperatomtriebwerke bestanden ausschließlich aus Kyrt, und überall da, wo Metall zu spröde, zu schwer oder beides war, wurde die Faser zu Gurtbändern verarbeitet.
Dennoch wurde nur ein Bruchteil der vorhandenen Möglichkeiten tatsächlich genützt, denn andernfalls wären die erforderlichen Mengen unerschwinglich gewesen. Im Grunde genommen ging Florinas gesamte Kyrternte an die Textilindustrie, die aus den Stoffen die erlesensten Kleidungsstücke in der Geschichte der Galaxis fertigte. Florina stattete die Aristokratie auf einer Million Welten aus, und dafür war die Kyrternte einer einzigen Welt, Florinas nämlich, kaum ausreichend. Auf jeder Welt gab es schätzungsweise zwanzig Frauen, die eine vollständige Kyrtgarderobe ihr eigen nannten; zweitausend weitere waren vielleicht glückliche Besitzer einer Feiertagsjacke oder eines Paars Handschuhe aus diesem Material. Zwanzig Millionen sahen diese Schätze nur aus der Feme und träumten davon.
Auf allen Welten der Galaxis beschrieb man angeberisches Verhalten mit einer gemeinsamen Redensart, die überall auf Anhieb richtig verstanden wurde. »Sie tut so, als würde sie sich mit Kyrt die Nase putzen!«
Als Samia älter geworden war, ging sie zu ihrem Vater.
»Was ist Kyrt, Papa?«
»Für dich das tägliche Brot und die Butter darauf, Mia.«
»Für mich?«
»Nicht nur für dich, Mia. Kyrt ist Brot und Butter für ganz Sark.«
Natürlich! Sie sollte bald erfahren, wie das gemeint war. Es gab keine Welt in der Galaxis, die nicht versucht hätte, Kyrt auf eigenem Grund und Boden anzubauen. Zunächst hatte Sark jeden, ob Eingeborenen oder Fremden, der dabei erwischt wurde, wie er Kyrtsamen vom Planeten schmuggeln wollte, mit dem Tode bestraft. Den Schwarzhandel hatte man damit jedoch nicht abschaffen können, und als Sark im Laufe der Jahrhunderte dämmerte, wie sich die Sache tatsächlich verhielt, hatte man das Gesetz abgeschafft. Inzwischen konnte jedermann, woher er auch kam, Kyrtsamen kaufen, aber natürlich nach Gewicht und zum gleichen Preis wie fertiges Kyrttuch.
Sark hatte nichts mehr dagegen einzuwenden, seit sich herausgestellt hatte, daß jeder Kyrtsame, der nicht auf Florina, sondern anderswo in der Galaxis ausgesät wurde, nichts anderes hervorbrachte als ganz normale Zellulose. Weiß, matt, brüchig und zu nichts zu gebrauchen. Schlechter als die gute, alte Baumwolle.
Ob es an der Bodenbeschaffenheit lag? Hatte Florinas Sonne besondere Strahlungsmerkmale? War vielleicht Florinas charakteristische Bakterienflora dafür verantwortlich? Man hatte nichts unversucht gelassen. Man hatte mit florinischen Bodenproben experimentiert. Man hatte künstliche Bogenlampen entwickelt, die das Spektrum von Florinas Sonne imitierten, soweit es bekannt war. Man hatte fremde Böden mit florinischen Bakterien geimpft. Doch das Kyrt war und blieb weiß, matt, mürbe und zu nichts zu gebrauchen.
Es gab so vieles über diesen Stoff zu sagen, was bisher noch niemand gesagt hatte. Soviel Material, das weder in technischen Berichten, noch in Forschungsaufsätzen oder gar in Reiseführern enthalten war. Seit fünf Jahren träumte Samia davon, ein richtiges Buch über die Geschichte des Kyrt zu schreiben; über das Land, auf dem es wuchs, und über die Menschen, die es anbauten.
Der Traum löste
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