Foundation 06: Die Grösse des Imperiums
Ich wollte sie eben hinlegen.« Sie streckte ihm das Baby entgegen, als hoffe sie, mit so viel kindlicher Unschuld sogar das Herz eines Gendarmen erweichen zu können.
Der Schultheiß sah sie nicht an. Ein Gendarm, dachte er, hätte sie auch nicht angesehen, und er war nun einmal Gendarm. »Setz sie auf den Boden und gib ihr einen Zuckerschnuller, damit sie still ist. Jetzt zu dir, Jacof!«
»Ja, Wachtmeister.«
»Du bist doch ein zuverlässiger Junge, nicht wahr?« Jeder Eingeborene, ganz gleich welchen Alters, wurde selbstverständlich als ›Junge‹ tituliert.
»Jawohl, Wachtmeister!« Jacofs Augen leuchteten auf, seine Haltung wurde ein wenig strammer. »Ich arbeite in der Lebensmittelfabrik im Büro. Ich habe Mathematik gelernt, ich kann sogar schriftlich dividieren. Und ich kann mit Logarithmen umgehen.«
Natürlich, dachte der Schultheiß. Man hat dir gezeigt, wie man eine Logarithmentafel benützt, und dir beigebracht, das Wort richtig auszusprechen.
Er kannte diesen Menschentyp. Der Mann tat sich auf seine Logarithmen mehr zugute als ein ›Herren‹-Söhnchen auf seine Raumjacht. Diesen Logarithmen hatte er seine selbstverdunkelnden Fenster zu verdanken, und die farbigen Steine verkündeten jedem, daß er schriftlich dividieren konnte. Für die ungebildeten Eingeborenen empfand er die gleiche Verachtung, wie der durchschnittliche ›Herr‹ sie allen Florinern entgegenbrachte, doch sein Haß war sicher noch größer, weil er unter ihnen leben mußte und von den höheren Schichten mit ihnen über einen Kamm geschoren wurde.
»Du achtest das Gesetz, nicht wahr, mein Junge, und du hast Respekt vor den ›Herren‹?« Der Schultheiß tat immer noch so, als lese er in seinem Notizbuch, und erzielte damit auch den gewünschten Eindruck.
»Mein Mann ist ein guter Mensch«, beteuerte die Frau. »Er ist nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Mit dem Pöbel gibt er sich nicht ab, und das gilt auch für mich und unsere Kinder. Wir haben immer…«
Terens winkte ab. »Ja, schon gut. Hör zu, Junge, du setzt dich jetzt hin und tust genau, was ich sage. Ich brauche eine Liste von allen Leuten, die du in dieser Straße kennst. Namen, Adressen, was sie so treiben, und ob es anständige Jungen sind. Besonderes letzteres. Wenn einer von diesen Unruhestiftern darunter ist, möchte ich das wissen. Wir müssen wieder einmal gründlich aufräumen. Verstanden?«
»Ja, Wachtmeister. Gewiß. Da wäre zuerst einmal Husting. Er wohnt ein paar Häuser weiter. Er…«
»Aber doch nicht so, Junge. Du da, hol ihm ein Blatt Papier! Und jetzt setzt du dich hin und schreibst mir alles ganz genau auf. Und laß dir Zeit, sonst kann ich euer Eingeborenengekrakel nicht entziffern.«
»Ich habe Übung im Schreiben, Wachtmeister.«
»Das werden wir ja sehen.«
Jacof machte sich ans Werk. Er malte jeden Buchstaben sorgfältig aus. Seine Frau sah ihm über die Schulter.
Terens wandte sich an das Mädchen, das ihm die Tür geöffnet hatte. »Du stellst dich ans Fenster und meldest mir sofort, wenn andere Gendarmen auf das Haus zukommen, damit ich mit ihnen sprechen kann. Aber zu rufen brauchst du sie nicht. Du sollst mir nur Bescheid sagen.«
Jetzt konnte er endlich aufatmen. Für den Moment hatte er mitten im Auge des Sturms ein sicheres Plätzchen gefunden.
Bis auf das laute Schmatzen des Babys in der Ecke herrschte einigermaßen Ruhe. Und falls der Feind nahte, würde man ihn rechtzeitig warnen, so daß er eine gewisse Chance hatte, zu entkommen.
Jetzt konnte er nachdenken.
Erstens war seine Rolle als Gendarm so gut wie ausgespielt. Zweifellos hatte man an allen Ausfallstraßen der Stadt Blockaden errichtet, allerdings wußte man wohl, daß ihm als Transportmittel allenfalls ein Diamagnetschweber zur Verfügung stand. Bald würde es selbst den eingerosteten Gendarmenhirnen dämmern, daß der Gesuchte nur dann mit Sicherheit zu fassen war, wenn man systematisch die ganze Stadt Straße für Straße und Haus für Haus durchkämmte.
Wenn ihre Pläne so weit gediehen waren, würden sie zweifellos am Stadtrand beginnen und sich zum Zentrum vorarbeiten. In diesem Fall wäre dieses Haus eines der ersten, die durchsucht werden würden. Seine Zeit war also sehr begrenzt.
Bis jetzt hatte sich die schwarzsilberne Gendarmenuniform als nützlich erwiesen, so auffallend sie auch war. Nicht einmal die Eingeborenen hatten Verdacht geschöpft. Keiner hatte sein blasses Florinergesicht bemerkt, niemand hatte ihn auch nur genauer angesehen.
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