Foundation 06: Die Grösse des Imperiums
Statthalters unterstellt. Neben ihm war sein Sekretär geradezu ein Nichts – ein einfaches Mitglied der Gesellschaft der Ahnen. Der Höchste Minister hatte ihn – theoretisch – zur Erledigung bestimmter, nicht genauer definierter Aufgaben eingestellt und konnte ihn – theoretisch – auch jederzeit wieder entlassen.
Der Höchste Minister war auf der gesamten Erde bekannt und galt als oberste Instanz in allen Fragen des Sittengesetzes. Er verkündete, wer von den Sechzig ausgenommen wurde, und ihm oblag es, bei Ritualverstößen, bei Nichterfüllung von Rationierungs- und Produktionsplänen, bei Fällen von unberechtigtem Eindringen in Sperrgebiete und so weiter als Richter aufzutreten. Seinen Sekretär kannte niemand, nicht einmal dem Namen nach, mit Ausnahme der Gesellschaft der Ahnen und natürlich des Höchsten Ministers selbst.
Der Höchste Minister war ein begabter Redner und hielt häufig Ansprachen an das Volk, bewegende Ansprachen von hoher, emotionaler Dichte. Er hatte langes, blondes Haar und ein vornehmes Aristokratengesicht. Der Sekretär hatte eine Knollennase und einen schiefen Mund, er drückte sich möglichst knapp aus, knurrte lieber, als daß er sprach, und schwieg am liebsten ganz – zumindest in der Öffentlichkeit.
Der Höchste Minister war natürlich derjenige, der die Macht nach außen hin repräsentierte, während der Sekretär sie in Wirklichkeit besaß. Und wann immer die beiden im Amtszimmer des Höchsten Ministers unter sich waren, gab es daran auch gar keinen Zweifel.
Dann nämlich erwies sich der Höchste Minister als reizbar und konfus, während die Gelassenheit des Sekretärs durch nichts zu erschüttern war.
»Ich sehe einfach keinen Zusammenhang«, klagte der Höchste Minister, »zwischen den Berichten, mit denen Sie mich unentwegt belästigen. Berichte, nichts als Berichte!« Wütend schlug er mit der Hand auf einen imaginären Papierstapel. »Ich habe keine Zeit, mich damit zu befassen.«
»Ganz recht«, sagte der Sekretär kalt. »Dafür haben Sie schließlich mich. Ich lese sie, ich verarbeite sie, und ich gebe Ihnen den Inhalt wieder.«
»Nun, mein lieber Balkis, dann aber rasch ans Werk. Es handelt sich doch nur um Bagatellen.«
»Bagatellen? Exzellenz könnten eines Tages böse auf die Nase fallen, wenn Sie Ihr Urteilsvermögen nicht weiterentwickeln… Sehen wir uns doch einmal an, was hinter diesen Berichten steckt, und anschließend werde ich Sie fragen, ob Sie immer noch von Bagatellen sprechen wollen. Da wäre zunächst die erste Meldung, die vor nunmehr sieben Tagen von Shekts Untergebenem eingegangen ist. Sie hat mich auf die Fährte geführt.«
»Was für eine Fährte?«
Balkis lächelte verbittert. »Darf ich Euer Exzellenz an gewisse nicht unwichtige Projekte erinnern, an denen auf der Erde seit etlichen Jahren gearbeitet wird?«
»Pst!« Die würdevolle Fassade des Höchsten Ministers brach jäh zusammen, und er sah sich hastig um.
»Nicht durch Nervosität, sondern durch Selbstvertrauen wird man zum Sieger, Exzellenz… Sie wissen doch, daß der Erfolg dieses Projekts auf dem kalkulierten Einsatz von Shekts kleinem Spielzeug, diesem Synapsifikator beruht. Bislang wurde das Gerät, jedenfalls, soweit uns bekannt ist, ausschließlich auf unsere Anordnung und mit klar umrissener Zielvorgabe in Betrieb genommen. Doch nun hat Shekt ganz überraschend einen unbekannten Mann synapsifiziert. Das ist ein eklatanter Verstoß gegen die Vorschriften.«
»Was soll an dem Fall so schwierig sein?« fragte der Höchste Minister. »Shekt erhält eine Abmahnung, wir übernehmen den Patienten, und damit hat sich die Sache.«
»Nein, nein. Sie sind viel zu direkt, Exzellenz. Und deshalb gehen Sie am Kern der Sache vorbei. Es handelt sich nämlich nicht darum, was Shekt getan hat, sondern warum er es getan hat. Beachten Sie, daß bei der Geschichte der Zufall eine merkwürdige Rolle spielte, ja, daß es eine ganze Kette von merkwürdigen Zufällen gab. Am gleichen Tag hatte Shekt Besuch vom Statthalter der Erde, und er hat uns in aller Loyalität und Offenheit jedes Wort des Gesprächs berichtet. Ennius hatte versucht, sich den Synapsifikator für das Imperium zu sichern. Als Gegenleistung scheint er Shekt großzügige Hilfe und rückhaltlose Unterstützung seitens des Kaisers angeboten zu haben.«
»Hmm«, machte der Höchste Minister.
»Sie horchen auf? Angesichts der Risiken, die wir bei unseren derzeitigen Plänen eingehen, erscheint Ihnen ein solcher
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