Foundation 08: Foundation
Herrscher wie Ludwig XIV. oder Othamn dan Fodio übten nie auch nur einen Bruchteil der Macht eines Cheops oder eines Hammurabi aus. Sagt uns das etwas über die Art von Staat, der sich in Orbitalkolonien entwickeln könnte? *
Manchmal konvergieren und divergieren Gesellschaften. Die Geschichte Chinas und die der Mittelmeerzivilisationen verlief erstaunlich parallel, wobei die analogen Vorgänge in Griechenland und Rom etwa zwei Jahrhunderte ›verspätet‹ abliefen. Im späteren Verlauf andererseits divergierte die geschichtliche Entwicklung in ebenso bemerkenswertem Maße wie aus einem Vergleich der Analogien in Abbildung 14 hervorgeht.
Man könnte nun leicht eine Theorie entwickeln, die eine völlige Divergenz erklärt. Aber der schiere Zufall genügt! Ebenso leicht könnte man völlige Konvergenz erklären: beispielsweise durch instinktives Verhalten. Aber so leicht hat es der Psychohistoriker nicht. Können wir sowohl konvergierendes als auch divergierendes Verhalten erklären?
»Eine richtige Theorie muß Vorhersagen ermöglichen und wenigstens potentiell quantitativ sein.«
Auguste Comte
Einige Zivilisationstheorien wie zum Beispiel die Soziobiologie versuchen das gesellschaftliche Verhalten genetisch zu erklären (vgl. Thomas A. Easton, Altruism, Evolution, and Society, in ›Analog‹, Okt. 76, für einen Überblick über die Soziobiologie). Gesellschaften sind jedoch zu radikalem Wandel fähig, selbst innerhalb einer einzigen biologischen Generation: Beispiele dafür sind die Modernisierung Japans durch die Meiji-Reformen oder die Übernahme des Reiternomadentums durch die Prärie-Indianer. * Zivilisatorische Errungenschaften wie die Glühbirne, der Marxismus oder die Relativitätstheorie breiten sich in der Gesellschaft aus, ob ihre Erfinder und deren Verwandte nun Nachkommen haben oder nicht. Das bedeutet keineswegs, daß die Genetik in der Kultur keine Rolle spielt. Genetische Theorien können die menschliche ›Entwicklungs-Hüllkurve‹ beschreiben, innerhalb derer eine Veränderung möglich ist, sind aber nicht imstande, Variationen innerhalb dieser Hüllkurve zu erklären. Die müssen wir anderswo suchen.
Abbildung 14: Eine schematische Darstellung der Geschichte Chinas und der Mittelmeerkulturen. Ein derartiges Schema verwischt die echten und wichtigen Unterschiede, hebt aber auch einige wichtige Ähnlichkeiten hervor. Das ›Zweite Reich‹ war beispielsweise in beiden Fällen ausländischer Herkunft (Mongolen und Manchu bzw. Türken), aber die phanariotischen Griechen haben nie die Rolle der Ming gespielt. Sowohl das T’ang-Reich wie auch das von Byzanz mußten ihre Herrschaftssphäre mit rivalisierenden Staaten teilen (den Nan-chao oder Bulgarien). Der gescheiterte Versuch Karls des Großen, Sui wen-ti nachzuahmen, bewirkte in Europa eine andere, vom Mittelmeerraum unabhängige Entwicklung.
Wollen wir uns die informationsverarbeitende Seite der Zivilisation doch einmal näher betrachten.
Geschichte stellt sich ein, wenn die Menschen ihr Verhalten ändern. Die Menschen werden seßhaft und beginnen Ackerbau zu betreiben. Oder sie geben ihre Städte auf. Oder sie legen sich eine neue Religion zu. Die Ärzte beginnen ein neues Heilmittel zu verschreiben; Bauern fangen an, eine neue hybride Reissorte anzubauen. Die Menschen lernen Briefmarken zu benutzen; oder Flugzeuge zu entführen. Manchmal ›setzen sich‹ diese Verhaltensweisen ›durch‹ und manchmal nicht. Warum ist dies so? *
Vielleicht hilft Richard Dawkins Konzept der Meme diesen Vorgang zu erläutern. Meme sind die kulturelle Analogie zu den Genen. Es sind dies »elementare Ideen, die sich im Bewußtsein der Menschen replizieren«. Fakten, Sprichwörter, Slogans etc. sind Beispiele für Meme. Dieser Artikel ist ein Mem-Komplex. Meme »gedeihen und sterben gemäß ihrer Nützlichkeit und ihrer Attraktivität im Gehirngewebe…«. Sie »pflanzen sich durch das gesprochene Wort, durch Demonstration oder durch Radiowellen von Gehirn zu Gehirn fort« und werden durch Imitation (mimesis) aufgenommen. Sie induzieren erlerntes Verhalten, so wie Gene instinktives Verhalten induzieren.
Der Soziologe Robert Hamblin und seine Mitarbeiter haben Hunderte von Fällen zivilisatorischer Veränderung studiert, angefangen beim amerikanischen Eisenbahnverkehr bis zu Revolutionen. Durch graphische Darstellung dieses Verhaltens über einen längeren Zeitraum hinweg stellten sie fest, daß die Übernahme und die Nutzung von Innovationen
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