Foundation 08: Foundation
Zellmembran
und die Grenz/Zoll-Wachen einer Nation sind beispielsweise
Grenz-Subsysteme und funktionieren in analoger Weise, indem sie den
Fluß von Information und Materie/Energie zwischen dem System
und seiner Umgebung regulieren. Falls eines von Millers neunzehn
Subsystemen ausfällt, ›stirbt‹ das System.
Dr. Millers Modell liefert den Rahmen, um das
Wissen über eine Art von Lebenssystem auf andere Arten zu
übertragen. Aber – ein Hinweis zur Vorsicht! -:
Gesellschaften sind ebensowenig ›Super-Organismen‹, wie
Organisationen keine ›Super-Zellen‹ sind! Sie sind
eindeutig unterschiedliche Arten von Systemen, die nichtsdestoweniger
signifikante strukturelle Parallelen aufweisen. *
Sämtliche lebenden Systeme verarbeiten
Information. Biologische Systeme benutzen dazu DNS, während
zivilisatorische Systeme Sprachen benutzen. Beide Formen der
Informationsverarbeitung werden als ›Verkehr‹ bezeichnet.
Der Informationsinhalt eines Systems wird als eine Komplexität bezeichnet. Nichtlebende Systeme werden in
zunehmenden Maße weniger komplex (Entropie); aber lebende
Systeme sind imstande, von ihrer Umgebung Informationen und
Materie/Energie aufzunehmen und komplexer zu werden
(Evolution). *
Wir können die Komplexität einer Gesellschaft aus der
Zahl ihrer funktionalen Spezialisierung abschätzen. In einem
Stammesverband ist beispielsweise jeder Bauer, selbst der
Häuptling und der Schmied; in einem Stadtstaat hingegen gibt es
hauptberufliche Verwalter und Künstler, die ihre ganze
Arbeitszeit diesem Beruf widmen. Vor fünfzig Jahren, schreibt
David Warsh, »verstand man unter einem ›Spezialisten‹
einen Kavallerieoffizier oder einen Chemiker. Heute haben wir
Astronauten, Medienberater, Testingenieure, Science
Fiction-Schriftsteller und eine Unzahl weiterer Spezialisten.«
Warsh führt überzeugend aus, daß der allgemeine
Preisanstieg eine Folge der wachsenden gesellschaftlichen
Komplexität ist, weil der Preis der Innovationen ›wie eine
Kaskade‹ das ökonomische ›Preisgewebe‹
durchläuft. Ein Krankenhausaufenthalt, schreibt er, kostet heute
mehr, weil er nicht mehr dasselbe ist wie ein Krankenhausaufenthalt
vor fünfzig Jahren. Auf diese Weise folgt Perioden intensiver
technischer Innovation gewöhnlich eine Periode der
Hyperinflation.
Systeme werden sowohl infolge der Spezialisierung der Funktion als
auch der Zentralisierung der Steuerung komplexer. Der Archäologe
Kent Flannery hat diese Prozesse erforscht und die Mechanismen
studiert, die sie herbeiführen. Je komplexer Gesellschaften
werden, desto größer und dauerhafter werden sie. Der weise
Rat des Alten einer Schar von Jägern konnte vielleicht ein
Dutzend Leute am Lagerfeuer beeinflussen. Der Codex des Hammurabi
hingegen – vom Machtmonopol eines zivilisierten Staates
geschrieben, verbreitet und gestützt – hat im ganzen Nahen
Osten über Jahrhunderte hinweg Hunderttausende beeinflußt.
Teile des Codex überlebten in der Bibel (beispielsweise in Psalm
22/23) und beeinflussen so selbst heute noch Millionen.
Treibt man die Komplexität freilich zu weit, so wird daraus Hypertrophie. Indem die Gesellschaft sich zentralisierte und
spezialisierte, hat sie sich in zunehmendem Maße ihrem lokalen
Habitat besser angepaßt. Bleibt das Habitat gleich, »kommt
die Entwicklung zum Stillstand« – ebenso wie bei
biologischen Spezies –, erreicht also einen Zustand des
Gleichgewichts. Wenn die (physikalische oder kulturelle) Umwelt sich
ändert, kann die Gesellschaft sich möglicherweise nicht
mehr schnell genug anpassen. Institutionen/Organe, die ihr in der
Vergangenheit gute Dienste geleistet haben, können nicht sofort
aufgegeben werden! Die Folge ist häufig der Zusammenbruch: ein
dunkles Zeitalter folgt.
Die Geschichte besteht sowohl aus konvergierender wie aus
divergierender Evolution. Manchmal verhalten sich unterschiedliche
Gesellschaften gleich – oft zur gleichen Zeit. Beispiele
dafür sind die weltweite Bevölkerungsexplosion, die im 16.
Jahrhundert in Regionen begann, die bezüglich ihrer Hygiene, der
medizinischen Versorgung und ihrer religiösen Vorstellungen
völlig unterschiedlich geartet waren, und die beinahe
gleichzeitige Erfindung des Ackerbaus in Regionen mit völlig
unterschiedlichen Pflanzen und Tieren. Die Ursachen in diesen
Fällen müssen global gewesen sein, oder gemeinsame Ursachen
gehabt haben.
In anderen Fällen folgen Gesellschaften
unterschiedlichen Wegen. Als in Regionen wie Ägypten,
Mesopotamien und
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