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Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)

Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)

Titel: Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Schnitt
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Bordschützen. Wir fliegen niedrig über Grund, damit die Aufständischen weniger Zeit haben, mit ihren Luftabwehrraketen zu zielen. Plötzlich zischt und knallt es. Zusammenzucken und Umschauen ist eins. Kleine Feuerbälle schießen in den Himmel um uns herum. Anscheinend sehe ich besorgt aus, denn der Beobachter in der Heckklappe schreit mir zu: »Täuschkörper! Die werden automatisch ausgelöst! Das muss nichts heißen! Reagiert auf Reflexion! Kann ein Blitz oder eine Spiegelung gewesen sein!« Ich bin nur halb beruhigt, konzentriere mich auf die Panorama-Aussicht: schneebedeckte Gebirgsketten und die Wüstenlandschaft, in der dann und wann kleine Dörfer auftauchen. Ein hartes, ein schönes Land.
    Nach etwa 90 Minuten landen wir im Feldlager Kunduz.

Foxtrott 4 auf Höhe 432
    Bei meiner Rückkehr ins Feldlager laufe ich dem Spieß der 3. Kompanie über den Weg. Der Spieß einer Einheit ist die »Mutter der Kompanie« – er kümmert sich um bürokratische Dinge, aber auch um die Post und darum, dass es bei der seltenen »Freizeit« im Feldlager ordentlich Grillfleisch gibt.
    Der Spieß der 3. Kompanie heißt Icks. Ein fröhlicher Mann um die Fünfzig. Spieß Icks plant und organsiert außerdem die Versorgung der Soldaten auf den verschiedenen Außenposten. Von ihm höre ich, dass meine Gruppe um Oberfeldwebel Schröder derzeit auf der Höhe 432 in Chahar Darreh eingesetzt ist. Und ich habe Glück: Am nächsten Morgen soll Icks eine Versorgungsfahrt Wasser, Diesel und Verpflegung zu den Jungs von Foxtrott 4 auf die Höhe 432 bringen.
    Ich bin gespannt. Die Höhe 432 gilt unter den Soldaten in Afghanistan fast schon als Kult. Ein befestigter Außenposten auf einem staubigen Erdhügel mit Unterständen und Laufgräben. 432 Meter über dem Meeresspiegel. Daher der Name. Gelegen in einem der lange Zeit am härtesten umkämpften Gebiete der Unruheprovinz Kunduz. Zurzeit sei es aber ruhig, versichert mir Icks.
    Wie immer geht es im Morgengrauen los. Der Zugführer des Foxtrott-Zuges Andi Isensee führt den Versorgungskonvoi. Wie immer wird auf dem Ehrenhain aufgefahren. Die Versorgungsfahrzeuge haben schweren Geleitschutz: Zwei Schützenpanzer Marder begleiten den Konvoi. Ich sitze – wie immer mit Schutzweste, Gehörschutz und splitterfester Sonnenbrille – in einem der Versorgungsfahrzeuge. Isensee fragt über Funk die Marschbereitschaft ab, dann setzt sich der Tross in Bewegung. In meinem Magen zieht sich etwas zusammen: Aha, ich bin wieder in Kunduz. Und ich sitze in einem Bundeswehrkonvoi, der ein hübsches Ziel für die Aufständischen abgibt. In den drei Wochen »Heimaturlaub« hatte ich alle Gedanken an Bedrohung schlicht beiseite geschoben.
    »Scheiße, was mache ich hier bloß?«
    Vorgestern noch in einem gemütlichen Bett neben meiner duftenden Freundin in einem der friedlichsten Länder der Welt aufgewacht – jetzt auf dem Weg zu ungewaschenen Bundeswehrsoldaten auf einem garstigen Außenposten in Nordafghanistan. Ein Land, in dem es permanent nach Fäkalien riecht, in dem ein unsichtbarer Feind Sprengfallen legt. Klar, es muss nichts passieren. Aber es kann.
    Also wieder auf stumpf stellen, wie die Jungs. Nicht groß sorgen. Sich daran erinnern, dass Grübeln nichts bringt. Noch gelingt mir das nicht perfekt, aber immer besser. Der Konvoi verlässt das Feldlager und bahnt sich langsam seinen Weg über die staubigen Straßen. Kurz vor der Polizeistation, die ich schon kenne, biegen die Fahrzeuge links ab. Durch die gepanzerten Scheiben erkenne ich in der Ferne einen Hügel – die Höhe 432. Rund 50 Meter breit, 70 Meter hoch. Sie kommt langsam näher.
    Seit 2008, seit der Bezirk Chahar Darreh zur Hochburg der Taliban wurde, hat die Bundeswehr dort zunächst zeitweilig, dann permanent Vorposten eingenommen: erst das Polizeihauptquartier, dann ein Stück weiter die Höhe 431 und dann die 432. Der Fuß des Hügels ist mit NATO-Draht gesichert, das etwa 20 Meter hoch gelegene Plateau von Schützengräben durchzogen. Tonnenweise Kies, Sandsäcke und die für jeden Vorposten eingesetzten »Hesco«-Körbe hat die Bundeswehr von afghanischen Arbeitern hier hoch schleppen lassen, um die in alle Himmelrichtungen ragenden Ausgucke und die rustikalen Unterkünfte gegen Feindbeschuss zu sichern.
    Höhe 432 – Vorposten der Bundeswehr in Chahar Darreh
    Die Soldaten der Versorgungsfahrt und die Besatzung der Höhe umarmen sich, klopfen sich auf die Schulter. Zugführer Isensee kommentiert: »Was mir aufgefallen ist,

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