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Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)

Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)

Titel: Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Schnitt
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Laptop abzulenken. Und jetzt? Was mache ich aus meinem ersten Monat bei den deutschen Truppen in Afghanistan?
    Zunächst mal habe ich begriffen, dass die Soldaten keine homogene Masse in Wüstentarn sind. Jeder einzelne hat seine eigene Motivation dort zu sein, jeder einzelne seine individuellen Gründe, zur Bundeswehr gegangen zu sein. Und auch die Frage nach Sinn oder Unsinn des Einsatzes beantwortet jeder durchaus unterschiedlich. Wobei sich diese Antwort mit ansteigendem Dienstgrad zunehmend der Antwort der Politiker angleicht.
    Ich habe gelernt, dass zumindest diejenigen Soldaten, die nicht im Feldlager eingesetzt sind, unter extrem einfachen Bedingungen leben. Vielleicht sollte jeder Politiker nur einmal persönlich zwei Wochen im Polizeihauptquartier in Chahar Darreh austesten, bevor er sein »Ja«-Kärtchen für eine Verlängerung des Mandats in die Urne werfen darf. Bei der Vorstellung von Sigmar Gabriel oder Patrick Döring auf dem Dixi in der Mittagshitze kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Und: Scheint es mir nur so, oder ist die Flugbegleiterin nach einem Monat ohne Frauen – die in Burka ausgenommen – seit unserem Hinflug wirklich noch hübscher geworden? Als ich wieder einschlafe, träume ich von einem PHQ – bevölkert von deutschen Parlamentariern.
    Als ich mich zu Hause aufs Sofa fallen lasse, fällt mir Daniel »Gina« Wilds Spruch vom perfekten Tag ein: »… wo man weiß, man ist zu Hause und da gehörst du hin …« Und trotzdem: Am Morgen darauf sitze ich in Hamburg mit einem Cappuccino in meinem angestammten Café, schaue mir die gut gekleideten Leute um mich herum an und fühle mich – fremd. Kulturschock rückwärts, nach nur vier Wochen.
    Drei Wochen später bin ich wieder in Kunduz, Nord-Afghanistan. Diesmal führte der Flug über das Bundeswehr-Camp »Marmal« in Mazar-i Sharif. Das Camp ist auf der einen Seite umgeben von geradezu majestätischen Berghängen – dem Marmal-Gebirge. Ein riesiges Feldlager, das größte der Bundeswehr außerhalb Deutschlands. Zurzeit leisten insgesamt etwa 3400 Soldaten ihren Dienst im Camp Marmal, davon 1800 Deutsche. Außerdem sind dort Soldaten der Vereinigten Staaten, aus Norwegen, Kroatien sowie aus sechzehn weiteren Nationen eingesetzt.
    Vom Flugbucher erfahre ich, dass wir wegen eines starken Sandsturms nicht mit der Transall nach Kunduz kommen. Ich soll mit der CH 53 – einem Transport-Hubschrauber der Bundeswehr – weiterfliegen. Also warte ich in der Abflughalle darauf, dass mein Flug aufgerufen wird.
    Um mich herum hektische Betriebsamkeit. Die ist hier Alltag. Deutsche, britische, norwegische, holländische Soldaten – die halbe Welt ist in das kleine Afghanistan eingefallen, um Krieg gegen die Taliban zu führen. Seit zehn Jahren sind sie hier, schaffen immer mal einen Schritt vor und müssen dann wieder einen Schritt zurück machen. Allen voran die Amerikaner. Sie stellen die meisten Truppen, und auch hier in der Halle tragen fast alle Soldaten das »Star Spangled Banner« auf der Uniform. Ich erinnere mich an einen Spruch, den ich auf einer Toilettenwand in Kunduz gelesen habe: »ISAF = I Saw Americans Fighting«,also »ich sah Amerikaner kämpfen«. Ob das so richtig ist, weiß ich nicht. Tatsache ist, dass die Amerikaner die meisten Truppen stellen und seit Beginn der Operation über 1700 US-Soldaten gefallen sind und mehr als 15 000 verwundet wurden.
    Im Minutentakt gehen Flüge nach Kandahar, Kabul, Bagram und Fayzabad. Soldaten und Material werden hin- und hergeflogen. Aufwand und Logistik sind enorm.
    Mein Hubschrauber nach Kunduz wird aufgerufen. Mit Schutzweste und Helm und Gehörschutz in den Ohren stapfe ich über das Flugfeld. Zwei Hubschrauber warten mit geöffneter Heckklappe. Ich nehme im Inneren des vorderen Hubschraubers Platz, dort ist Raum für etwa 5,5 Tonnen oder 36 Soldaten. Auf die geöffnete Heckklappe setzt sich ein Bundeswehr-Soldat. Er soll während des Fluges das Gelände beobachten. Von innen ist der CH 53 mit Kevlarplatten gepanzert. Außerdem sind an den beiden vordersten Tür- beziehungsweise Kabinenfenstern Maschinengewehre angebracht. Außer mir sitzen in dem Hubschrauber deutsche und amerikanische Soldaten sowie ein Mann mittleren Alters in Zivil, aber mit einer kleinen Maschinenpistole neben sich.
    Die Hubschrauber-Einheit in Mazar-i Sharif nennt sich » Nazgul «- nach den fliegenden Ringgeistern aus dem »Herrn der Ringe«. Wir heben ab – mit offenen Türen und offener Heckklappe für die

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