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Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)

Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)

Titel: Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Schnitt
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Soldaten so gern die Sanitäter dabei haben.
    Während des Essens sitzt Schröder neben dem Funk. Plötzlich rauscht es.
    »Höhe 432. Hier 3.0.«
    3.0 ist die Funkbezeichnung von Kompanie-Chef Schellenberger. Er funkt aus dem Gefechtsstand der 3. Kompanie im Polizeihauptquartier.
    »Hier Höhe 432.«
    Es rauscht im Funkgerät. Die Verbindung ist abgehackt.
    »Wir haben« … Rauschen …
    »… über die ANP (Afghan National Police) die Meldung bekommen, dass der LSF-COP südlich eurer Position unter Beschuss steht.«
    »LSF-COP wird angegriffen. Verstanden«, wiederholt Schröder.
    »Check …« Die anderen Soldaten haben nun mit dem Essen aufgehört und versuchen, den schwerverständlichen Funksprüchen zu folgen. Wieder knackt und rauscht es, dann:
    »Ihr Auftrag: nach Süden in Richtung des COPs mit Illum beleuchten. 3.0 Ende.«
    Schröder funkt zurück: »Höhe 432 verstanden. Mit Illum beleuchten. Höhe 432 Ende.«
    Die Illum ist ein Leuchtgeschoss, das aus einer Panzerfaust abgeschossen wird. Schröders Soldaten sollen die Umgebung des Vorpostens der afghanischen Sicherheitskräfte beleuchten, damit diese die Angreifer in der Dunkelheit besser bekämpfen können.
    Das Essen wird beiseite gestellt, die Schutzwesten übers T-Shirt gestreift, der Gehörschutz eingesetzt. Die Soldaten stehen auf und laufen Richtung Südstellung. Mir fällt auf, wie routiniert Schröders Soldaten auf den plötzlichen Auftrag reagieren. Es ist jetzt stockdunkel. Auf der Höhe gilt Lichtdisziplin. Die Soldaten tragen kleine, rot leuchtende Lampen, die mit einem Gummizug an der Stirn befestigt sind. Außerhalb der Verschläge ist nur Rotlicht erlaubt, weil rotes Licht nicht so weit strahlt wie weißes Licht. Es ist vom Feind somit schwerer auszumachen.
    Als wir mit dem Beleuchtungstrupp in der Südstellung ankommen, hören wir in der Ferne Feuerstöße. Mir geht bei dem Geräusch, das ich nur von den Bundeswehrübungen und aus Filmen kenne, der Puls hoch. Den Soldaten ist keine Nervosität anzumerken. Schröder weist Chill und Körner an. Die beiden bereiten routiniert die Panzerfaust mit der Leuchtmunition vor.
    Totti steht mit der Panzerfaust auf der Schulter erhöht auf ein paar Sandsäcken. Chill hockt hinter ihm auf dem Boden und stabilisiert seine Beine.
    Schröder ruft: »Drei, zwei, eins, Feuer!« Ein heller Blitz zuckt auf, durch die Druckwelle fällt mir für einen Moment das Atmen schwer. Selbst durch meinen Gehörschutz ist der Knall ohrenbetäubend.
    Das Geschoss jagt in den Himmel, weit entfernt wird es zu einem leuchtenden Ball. Von der Höhe wird der Himmel dort heller, die Umgebung kann man von hier aus nicht erkennen.
    Totti grinst mich an: »Macht ganz schön rumms, was?«
    Ich frag mich, warum er – der doch die Waffe direkt am Ohr hatte – nicht taub ist. Totti scheint die Frage zu ahnen und schiebt nach: »Ist lauter, wenn man ein paar Meter weg steht. Für mich geht’s.«
    Schröder schaut in die Ferne, er prüft, ob das Geschoss den richtigen Bereich ausleuchtet. Wohl nicht ganz. »Ein bisschen weiter links, Totti«, ruft er in Richtung Körner.
    Totti stellt sich ein bisschen weiter nach links.
    »Drei, zwei, eins, Feuer!« Es kracht und leuchtet noch mal. Die Druckwelle lässt meine Hosenbeine flattern.
    Immer wieder schießen die Soldaten von der Höhe 432 in Richtung Süden, um die verbündeten LSF-Afghanen im Kampf gegen die – aus Sicht der Bundeswehr – feindlichen Afghanen zu unterstützen. Zum zweiten Mal fällt mir auf, wie sehr der Krieg in Afghanistan ein Bürgerkrieg geworden ist. Ein Bürgerkrieg, in dem eine Seite durch die ausländischen Truppen unter NATO-Führung – dem mächtigsten Militärbündnis der westlichen Welt – unterstützt wird. Seit zehn Jahren wird gekämpft, und der Krieg wirkt heute Nacht sehr präsent und keineswegs entschieden.
    »Drei, zwei, eins, Feuer!« – Zischen und Leuchten.
    Wir hören in der Ferne immer wieder einzelne Schüsse und manchmal MG-Salven. Die Aufständischen wissen, dass die Bundeswehr-Soldaten auf der Höhe 432 stationiert sind. Sie wissen aber auch, dass die Soldaten aus Deutschland nicht den Auftrag haben, mitten in der Nacht dem attackierten Vorposten der Afghanen zu Hilfe zu kommen. Schröders Gruppe soll die Höhe 432 halten und die Umgebung überwachen, nicht nachts in unbekanntem Gelände den Feuerkampf suchen. Zudem sollen die afghanischen Einheiten »verstärkt selber für die Sicherheit in der Region sorgen«. Heute Nacht stehen sie

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