Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)
auch so ein Einsatzphänomen: Männer fassen sich an und umarmen sich.«
Sein Stellvertreter erklärt: »Ja, weil man sich freut, dass man sich sieht.«
Isensee: »Gab es früher nie!«
Hier haben die Männer vom Foxtrott 4 die vergangenen sechs Tage verbracht. Die Jungs begrüßen mich herzlich. Machen ihre Witze darüber, dass ich zu Hause sein durfte, ziehen mich damit auf, wie verdammt gut ich es hätte.
14 Soldaten leben derzeit auf der Höhe. Darunter eine Gruppe Sanitäter und ein Sprachmittler. Oberfeldwebel Juwe Schröder hat das Kommando auf der Höhe 432.
Ich schaue mich um. Könnte ich jetzt meinen Blick auf schwarz-weiß umstellen, würde die Umgebung Fotos gleichen, die ich vom Ersten Weltkrieg kenne. Tief ausgeschachtete Laufgräben ziehen sich durch das Plateau und erinnern an die Frontstellungen von damals. Die Männer leben und schlafen in kleinen, staubigen Unterständen, geschützt nur von Sandsäcken.
Schröder gibt mir eine Führung durch den Vorposten. Der Rundgang mit dem Oberfeldwebel durch sein kleines Reich verstärkt den ersten Eindruck. Mit etwas Schadenfreude – als er meinen Blick sieht – führt Juwe mich in die in den steinharten Lehmboden gehauenen Schlafnischen. Ausgestattet sind sie bescheiden mit dicht an dicht stehenden Feldbetten und Moskitonetzen, dafür tragen sie exklusive Namensschilder, von »Hilton« bis »Vier Jahreszeiten«. Die aus einem Plastikkanister bestehende Campingdusche ist eine Eigenkonstruktion, ebenso die aus einer Holzstange und zwei Sandsäcken gebastelte Hantelbank. Auch die Feldküche mit ihrem antiquierten Gaskocher für die Zubereitung der Mahlzeiten lohnt einen nachsichtigen Blick. Laut Schröder ernähren sich die Soldaten hier hauptsächlich von EPa, den Einmannpackungen zur Notfallverpflegung.
Es ist noch heißer, noch staubiger hier im Außenposten, das Thermometer steigt auf über 50 Grad, die Wachposten mit ihren schweren Schutzwesten schwitzen schweigend vor sich hin. Die Sturm- und Maschinengewehre der Soldaten sind in Richtung einer friedlich wirkenden Landschaft gerichtet.
Am Fuß des Hügels sehe ich Felder und Baumgruppen. Weizen, Reis, Tomaten oder Melonen bauen die Landwirte in dieser Gegend an. Die Ufer des Kunduz-Flusses sind eine der Kornkammern Afghanistans. Eine verschleierte Frau arbeitet auf dem Acker, vor einem nahen Gehöft sitzen Männer in weiten Gewändern im Schatten, ein Mopedfahrer knattert vorbei. Und auf der frisch geteerten Straße spielen Kinder. Krieg? Von hier oben betrachtet eher eine Idylle.
Nach drei Wochen in Deutschland bin ich wieder bei »meiner« Gruppe Foxtrott 4: Schröder, Chill, Körner und Wild. Haben die jungen Männer sich innerhalb der Zeit verändert? Mir fällt auf, dass Schröder ernster geworden scheint. Vielleicht eine Folge der Verantwortung, die er hier trägt. Matthias Chill ist gerade schlecht gelaunt und mag nicht viel reden. Daniel »Gina« Wild ist gut drauf, aber schimpft über den Staub, die Hitze, die Dixis und eigentlich über fast alles hier auf der Höhe.
Thorsten »Totti« Körner hat sich seit unserem ersten Treffen in Deutschland am meisten verändert. Damals war er glattrasiert, sah noch mal drei Jahre jünger aus als seine 22 Jahre und machte einen fast unbedarften Eindruck. War zurückhaltend im Gespräch und ein wenig schüchtern. Nun sehe ich ihn mit Drei-Tage-Bart, sein Gesicht rotbraun von der afghanischen Sonne. Er wirkt ausgeglichen, fast entspannt auf mich. Acht Wochen in Afghanistan. Nur unter Männern. Oft unter primitivsten Bedingungen. Körperlich und psychisch gefordert. In einem Umfeld, das ihn nicht nach seinem Alter beurteilt, sondern danach, ob er seine Aufgabe erledigt, und danach, ob er mit den Umständen klarkommt.
Ich höre ein Bellen, und schon stürmen, sich balgend, zwei Hunde im Flegelalter an mir vorbei. Der eine komplett weiß, der andere weiß mit schwarzen Flecken. Hunde? Im Vorposten?
Schröder erklärt es mir: »Das sind Pepsi (der Weiße) und Cola (der Gefleckt e ) . Die sind auch entwurmt und medizinisch versorgt. Die kriegen sogar richtiges Hundefutter …«
Die Hunde rollen sich im Staub. Es scheint ihnen hier gut zu gehen.
»… was sie machen, ist Viehzeug, also gerade Ratten und so was oder Mäuse, und was weiß ich, was hier rumläuft, verjagen …« Nicht unbedingt Haustiere also, eher Nutztiere.
Ich schaue mich um. Hier oben hat man eine beeindruckende Aussicht auf die Westplatte, auf die Felder und Dörfer in der
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