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Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)

Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)

Titel: Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Schnitt
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hatte. Der König schickte einen Lastwagen voller Schnee von Kabul nach Kunduz. Doch in Kunduz kam nach langer Reise nur noch eine Pfütze Wasser an. So sei es mit allen Dingen, die aus Kabul kommen.
    Kabul ist weit, weit weg, will die Anekdote sagen.
    Als es draußen dunkel wird, zünden die Bundeswehrsoldaten mit Diesel den Weihnachtsbaum des Safe House an.
    2012. Auch für die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan beginnt ein neues Jahr. Der Baum brennt lodernd, die Soldaten und die afghanischen Polizisten stehen aufgereiht davor. Die Gesichter von Chill und Totti Körner leuchten rot im Feuerschein.
    Später am Abend sitzen wir im Zelt auf unseren Feldbetten. Ich frage Chill, was er nach sechs Monaten Einsatz über Afghanistan und den Auftrag hier denkt.
    »Ich kann nicht viel Gutes über Afghanistan sagen. Wenn ich Afghanistan beschreibe, ist das einfach nur ein Drecksloch. Wo man nicht viel helfen kann … Wenn wir 2014, 2015 wirklich abziehen, dann geht das hier wieder den Bach runter. Die sind so wechselhaft, hier ist so viel Korruption. Sobald wir weg sind und die nicht mehr anführen, greift der Taliban wieder nach der Macht.«

Noch 18 Tage
    Patrouille
    13:00 Uhr
    Wetter: 1 Grad , Schneeregen.
    Auftrag Foxtrott 4: Sichern des IED-Suchtrupps,
    Hpt. Paul bei Gesprächsaufklärung
    Hauptmann Paul zeigt einem alten Afghanen und einem Jungen Fotos mit Verdächtigen. Fragt, ob sie jemanden erkennen. Der Alte schweigt. Der Junge schaut sich interessiert die Fotos an. Paul wendet sich dem Jungen zu: »Wer ist das? Das ist Balawan, nicht? Und wer ist das?« Der Sprachmittler übersetzt, was der Junge antwortet: »Der ist übergelaufen.«
    Chill und Wild stehen im Matsch herum. Drei Jungs – um die zehn Jahre – drücken sich in Hauseingängen und gucken hinüber zu den beiden. Es schneit. Wild pöbelt: »Chill. Ich wünsche mir die 40 Grad zurück!
    Dann sagt Wild zu mir: »Ich hab genug von den Menschen gesehen. Hab genug Menschen ›Guten Tag‹ gesagt. Genug Menschen die Hand gegeben. Hab vielen Kindern was zu spielen gegeben, oder Kekse, oder was zu trinken. Ich denke, es reicht langsam. Wird langsam Zeit, nach Hause zu fliegen.«
    Wild und Chill stehen immer noch im Matsch. Wild schimpft immer noch: »Das sind so Sachen, die ich meine. Wir sind vorhin 2,1 Kilometer gelaufen. Warst natürlich durchgeschwitzt. Und jetzt stehen wir hier rum. Das ist das, was ich meine. Das ist das, worüber L92 (also seine Einheit: das Panzergrenadierlehr-Bataillon 92 aus Munster) nicht nachdenkt.« Seine Stiefel sind jetzt knöcheltief im Matsch versunken.
    Er ruft den kleinen Jungen zu: »Hier! Kaffee! Was Warmes! Kaffee!« Einer der Jungs antwortet auf Paschtu. Chill: »Er hat Idiot zu dir gesagt.«
    Wild wiederholt seinen Wunsch: »Habt ihr Kaffee?« Die Jungen schauen sich ratlos an. Ich rate den beiden, es mal mit »Chai« zu versuchen. In meinem Dari-Wörterbuch steht das für Tee. »Chai?«, ruft Chill jetzt laut.
    Und alle drei Jungs rennen los, rennen um eine Ecke in den Compound, kommen Minuten später zurück und haben – wir fassen es nicht – eine geradezu Tchibo-Design-mäßig aussehende Thermoskanne dabei und ein paar Becher. Heißer Tee! Wunderbar. Die Kinder schenken den Soldaten ein, der Tee dampft in den Bechern.
    Wild holt aus Chills Rucksack eine Packung mit Keksen, isst selbst und bietet auch den Jungs davon an. Jeder von ihnen nimmt einen, wirklich nur einen – und neigt mit einer Dankesgeste den Kopf: »Ta sha-kurr« und: »Thank you.« Unzivilisiert? Soviel Höflichkeit bringt in unseren Breitengraden nicht mal jedes Großstadtkind auf, geschweige denn jedes Landei.
    An der nächsten Kreuzung steht Schellenberger am Funk: »Aufgeklärt Zündvorrichtung. Weiter aufklären«, die EODs suchen im Schnee immer noch nach IEDs. Soldaten suchen die Straße ab. Es schneit jetzt stärker, die Schneedecke wird höher.
    Sogar mit einem Bagger mühen sich die Soldaten, Schnee, Steine und halbgefrorenen Schlamm der Straße aufzugraben. Dann stellt der Bagger die Arbeit ein und dreht um Richtung Safe House.
    Nach vier Stunden in der Sicherung
    Schröder und seine Soldaten ziehen ab. Schröders aktuelle Einstellung zum Einsatz: »Im Moment würde ich sagen, dass ich es wieder machen würde. Am liebsten dann aber für vier Monate und nicht mehr für sechs Monate, die ziehen sich doch sehr …«
    Durch den Schnee marschiert er mit seinen Soldaten zurück. »… aber ich weiß nicht, wie meine Einstellung ist, wenn ich

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