Foxtrott 4: Sechs Monate mit deutschen Soldaten in Afghanistan (German Edition)
auf der Welt sind und wie gut ich es habe. Ich will den Einsatz nicht missen, aber ich werde ihn auch nicht vermissen.«
Auf meine Frage, welche Eindrücke für Schröder am stärksten waren, antwortet er: »Wir haben eine Patrouille zu Fuß durchgeführt. Bei ungefähr 10 Grad, es war nass und schlammig. Wir trugen unsere Merinounterwäsche, Fleecejacken, Stiefel und alles. Waren schön eingepackt und haben uns nach zwei Stunden trotzdem den Arsch abgefroren. Und am Straßenrand steht ein Kind im Schlafanzug und barfuß. Das werde ich nie vergessen.
Man kann jetzt sagen, diese Kinder sind so aufgewachsen, aber das heißt noch lange nicht, dass die nicht frieren und das einfach so abkönnen.«
Was ist Jan-Uwe Schröders Fazit nach dem Einsatz?
»Ob dieser Krieg verloren ist oder nicht, werden wir erst wissen, wenn wir aus diesem Land wieder raus sind. Wenn die Taliban danach wieder an der Macht sind, haben wir den Krieg vom Prinzip her verloren. Wenn sich Afghanistan aber ein wenig stabilisiert, dann haben wir vielleicht auch den Krieg gewonnen. So sehe ich das.
Es ist ja viel gesagt worden über das Zusammenwirken mit der ANP und ANA, dass sie unzuverlässig sind. Jetzt habe ich selbst mit denen zusammengearbeitet und fast immer Glück gehabt. Besonders die ANP hat einen guten Job gemacht. Die ANA war mal unmotiviert, aber wer ist das nicht mal. Wir haben mit denen zwei große Operationen gefahren – ohne Zwischenfälle. Das hat Sinn gemacht. Jetzt kommen wir nach Hause: Heldengeschichten habe ich keine zu erzählen. Das ist ein Glück so. Es ist nichts passiert.«
18. 01. 2012, 19:10 Uhr, Nieselregen, Flughafen Köln-Wahn, Militär-Terminal
Es ist eine sanfte Landung. Der Auslandseinsatz ist beendet, die Soldaten sind heil wieder zu Hause. Am nächsten Tag ist in den Medien über Afghanistan keine Zeile zu lesen.
Alles, was wir sehen, ist eine Perspektive, keine Tatsache
Ich habe während meiner Zeit mit den Panzergrenadieren von Foxtrott 4 nur einen Ausschnitt des Einsatzes in Afghanistan gesehen. Nur eine Perspektive. Die einer kleinen Gruppe von deutschen Soldaten. Mir ist völlig klar, wie eingeschränkt diese Sichtweise ist.
Eine Meinung habe ich mir dennoch bilden können – meine Meinung. Sie hat mit Sicherheit keine Allgemeingültigkeit, und die soll sie auch gar nicht haben. Das maße ich mir nicht an. Ein paar Fragen, die ich mir zum Ende des Einsatzes gestellt habe, und meine Antworten darauf möchte ich trotzdem teilen.
◆ Machen die Soldaten dort einen guten Job?
Ich denke schon. Unter miesen Bedingungen erfüllen die Soldaten in Afghanistan ihre Aufträge. Meist ohne groß zu murren, ohne über die Bedingungen zu klagen, selbst wenn sie – zum Beispiel bei der befohlenen Zusammenarbeit mit den lokalen Sicherheitskräften – großes Misstrauen hegen.
◆ Machen die Aufträge Sinn?
Zumindest dann, wenn man als ihre Grundlage das Konzept der Aufstandsbekämpfung (Counterinsurgency) von General Petraeus stichhaltig findet. Für mich ist es – wenn man diesen Kampf führen will – die nachvollziehbarste Strategie für Afghanistan. Offensichtlich sehen die deutschen Generäle das auch so, oder sie müssen es so sehen. Innerhalb dieser Strategie erfüllt die Bundeswehr ihren Auftrag in Kunduz vorbildlich. Operationen werden grundsätzlich mit ANA (Afghanische Armee) oder mit der ANP (Afghanische National-Polizei) durchgeführt, und die Bevölkerung wird regelmäßig über Schuren ( Ratssitzungen) eingebunden. Ob das langfristig reicht, um ein Fundament zu legen, das auch nach dem Abzug der internationalen Truppen hält – niemand kann das wissen. Ich selbst bezweifle es.
Ich glaube an das Denkmuster, das, meiner Erinnerung nach, Henry Kissinger mit Blick auf jegliche Art von staatlichem Engagement einmal aufgestellt hat.
Erste Frage: Was willst du erreichen?
Zweite Frage: Welchen Preis bist du bereit, dafür zu bezahlen?
Dritte Frage: Kannst du das Ziel mit dem Preis, den du bereit bist zu zahlen, erreichen?
Viertens: Wenn nicht, passe dein Ziel dem Preis an, den du bereit bist zu zahlen.
Aus meiner Sicht lässt sich aus diesem Denkmuster sehr viel für Afghanistan ableiten. Es reicht nicht, ein hehres Ziel zu formulieren – für Afghanistan war das Ziel eine Demokratie mit einem westlichen Verständnis von Menschenrechten (insbesondere der Rechte der Frauen). Das Ziel muss vielmehr realistisch und, viel wichtiger noch, mit dem Kräfteeinsatz, den man geplant hat, auch erreichbar
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