Fränkisch Schafkopf
gekommen. Das können wir nicht auf sich beruhen lassen«, sagte sie so offiziell wie möglich.
»Nein, ein richtiges Adressbuch hat er nicht. Heinrich schreibt solche Dinge alle in seinen Computer rein. Damit spart man Papier, das ist ganz umweltbewusst, hat er mir mal erklärt. Und es hat noch einen Vorteil, man kann nämlich leicht Ãnderungen eintippen oder etwas löschen.«
»Da hat er auch recht, praktisch ist das schon.«
Aber in dem speziellen Fall auch wieder nicht, dachte sie bedauernd. Denn eins dieser altmodischen Adressbüchlein hätte ihr die Suche nach privaten Kontakten sehr erleichtert. Irgendwann, befürchtete sie, würde sie in Heinrichs intimste Privatsphäre eindringen und diesen Computer durchsuchen lassen müssen. Doch vorerst wollte sie darauf verzichten.
Sie wusste nicht, was sie Frau Bartels noch hätte fragen können. Also bat sie sie, sich umgehend bei ihr zu melden, falls ihr doch noch der Name des dritten Kartenspielers einfalle. Dann verabschiedete sie sich.
Als sie schon im Erdgeschoss angelangt war, hörte sie wieder diese jugendliche Stimme, wie sie ihr nachrief: »Vielen Dank für Ihren Besuch, Frau Steiner. Das habe ich jetzt ganz vergessen. Und schauen Sie doch mal wieder bei mir vorbei, wenn es Ihre Zeit zulässt. Ich freue mich immer, wenn Sie kommen!«
Sie revanchierte sich mit einem lauten Dank für den Kamillentee.
Noch auf dem Weg zu ihrem Wagen rief sie Eva Brunner an. Schon beim ersten Läuten nahm diese ab.
»Frau Brunner, wie weit sind Sie denn mit den Aufträgen, die ich Ihnen erteilt habe, in der Zwischenzeit vorangekommen?«
»Weit, Frau Steiner, ich bin schon sehr weit damit gekommen. Ich hab schon fast alles. Die Fotos vom Tatort, dann den Jakobsohn durchgecheckt, die Namen von den Polizisten, die vor Ort waren, und auch von den Rettungssanitätern, nur die Obduktionsergebnisse fehlen mir noch. Dr. Grath, der diesmal den Fall bearbeitet, braucht noch ein wenig Zeit, hat er mir am Telefon gesagt, bis er mit der Niederschrift fertig ist.«
»Und wann wird das sein?«
»In knapp zwei Stunden, meinte er. Er ruft mich an, wenn er fertig ist, und dann hole ich es mir aus der Tetzelgasse.«
»Prima. Jetzt was anderes. Sie haben doch von Dennerlein bestimmt auch schon die Schlüssel für die Wohnung â¦Â«
»Dennerlein ist in Urlaub, das hat diesmal Klaus Zwo übernommen.«
»Aber die Schlüssel haben Sie schon?«
»Nein, die Technik ist noch vor Ort. Und die haben auch die Schlüssel.«
»Und wo genau ist das â vor Ort? Sagen Sie mir mal die Adresse von dem Opfer.«
Sie hörte Papiergeraschel. Dann die Antwort: »In der SpenglerstraÃe 13, das ist in Gostenhof.«
»Gut. Ich fahre jetzt dahin. Und Sie rufen gleich Klaus Zwo an und sagen ihm das. Er soll dort auf mich warten. Morgen sehen wir weiter. Ach nein, halt, noch was. Hat man die Angehörigen schon benachrichtigt?«
»Nein. Als Familienstand ist hier ledig angegeben. Und in der Akte steht auch nichts von irgendwelchen Verwandten. Aber das kriege ich schon noch raus.«
Auf dem Weg Richtung Plärrer wunderte sie sich, wie voll die StraÃen waren. Es waren doch Schulferien. Noch vor ein paar Jahren war da der Nürnberger Verkehr noch nicht zum Erliegen gekommen, und man hatte auch in solchen Vierteln der Innenstadt wie Galgenhof und Gostenhof freie Fahrt. Doch die Zeiten schienen endgültig vorbei zu sein. Sie quälte sich von Ampel zu Ampel, brauchte allein für den Weg vom Budapester Platz bis zum Südausgang des Hauptbahnhofs eine gute Dreiviertelstunde. Da sie wusste, dass Klaus Zwo seine Arbeit um sechs Uhr in der Früh aufnahm, dafür aber gern schon am frühen Nachmittag in den Feierabend ging, schaltete sie Blaulicht und Martinshorn ein. So schaffte sie den Weg zur SpenglerstraÃe in nicht einmal zehn Minuten.
Und auch die Zeiten, in denen man in Gostenhof jederzeit einen Parkplatz fand, schienen vorbei zu sein. In ihrer Kindheit galt dieses Viertel als das verrufenste in Nürnberg, auch als das mit der höchsten Kriminalitätsrate. Bis zur Jahrtausendwende war Gostenhof eine nicht immer friedliche Enklave gewesen. Früher wohnten hier Arbeitslose und Menschen, die auch an Wochentagen ihr Bier bis fünf Uhr morgens tranken. Leute also mit zu viel freier Zeit auf der einen und zu wenig Geld auf der anderen Seite. Autos waren
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