Fränkisch Schafkopf
selten, und wenn doch mal jemand zu bescheidenem Wohlstand gekommen war, dann parkte er sein Statussymbol nicht auf der StraÃe. Zu gefährlich.
Sie erinnerte sich, während sie im Schritttempo die schmalen StraÃen nach einer Parkmöglichkeit abfuhr, an ihre Schulfreundin Jutta, die hier gewohnt hatte. Wenn sie die besuchen wollte, bestand ihre Mutter jedes Mal darauf, sie dort persönlich abzuliefern und nach ein paar Stunden wieder abzuholen. Bei ihrer Freundin musste sie, auch daran erinnerte sie sich in diesem Augenblick, das Klo im Hausflur benutzen, und im Winter war es Juttas Aufgabe, zweimal am Tag Kohle und Holz aus dem Keller in den dritten Stock zu schleppen.
Doch in den vergangenen Jahren hatte das Glasscherbenviertel eine sprunghafte Statusverbesserung erfahren. Fast alle Wohnungen waren von Grund auf saniert worden, mit Schallschutzfenstern und modernen sanitären Anlagen, der Sandstein strahlte. Dort, wo es möglich war, waren Bäume gepflanzt und hübsche Plätze angelegt worden. Gostenhof mit seinen Altbauten war nun auf dem besten Weg, ein In-Viertel zu werden. Ein auch für Immobilienmakler interessanter Stadtteil mit gewinnbringendem Potenzial, wenn sie das schicke Maklerbüro, das sie jetzt bereits das zweite Mal passierte, richtig deutete.
Als sie schlieÃlich das dritte Mal in die SpenglerstraÃe einbog, erkannte sie Klaus Zwo auf der rechten Seite, der ihr lebhaft zuwinkte. Zu seinen FüÃen stand der graue abgeschabte Metallkoffer, in dem er seine Gerätschaften für gewöhnlich mit sich herumschleppte. Sie hielt auf seiner Höhe an und lieà das Beifahrerfenster herunterfahren.
»Verrätst du mir ein Geheimnis, Klaus? Wen hast du bestochen, damit du hier einen Parkplatz gefunden hast?«
Belustigt und wortlos wies er mit dem Finger auf die hinter ihm liegende Hofeinfahrt.
»Oh prima, da stell ich meinen gleich dahinter.«
»Das wird nicht möglich sein, liebe Frau Steiner. Denn darin ist nur für ein Auto Platz. Du wirst dich also gedulden müssen, bis wir weg sind. Hier, ich geb dir schon mal die Schlüssel. Oder sollen wir noch bleiben?«
Sie schüttelte den Kopf. »Wir können uns ja morgen früh unterhalten. Du möchtest doch bestimmt jetzt Feierabend machen?«
Er nickte erleichtert, und sie setzte ihren Wagen ein paar Meter zurück. Kurze Zeit später parkte sie in den winzigen Innenhof ein. Da es von da keinen Zutritt ins Haus gab, ging sie zurück auf die StraÃe.
Während sie die Haustür aufschloss, sah sie auf die Klingelleiste. Im Vorder- und Rückgebäude wohnten vierzehn Parteien, unter ihnen eine mit einem türkischen Namen. Das Haus hatte schmale glänzende Holzstufen und ein frisch gestrichenes Geländer mit einem hölzernen Handlauf. Im Erdgeschoss hörte sie türkische Musik, im ersten Stock die Abendschau aus einem eingeschalteten Fernsehgerät und im zweiten Geschirrgeklapper. Es war die Zeit, zu der die Leute mit den Vorbereitungen für das Abendessen beschäftigt waren.
Auf dem Treppenabsatz der dritten Etage gab es zwei Türen. Die rechte war über und über mit »Atomkraft? Nein danke!«-Stickern beklebt, die linke wies ein vergittertes Fensterchen auf, darunter ein Schild in geschwungener Schönschrift: »U. Jakobsohn«. Sie zog ihre Schutzhandschuhe über, sperrte dann auf, stieà die Tür nach innen, suchte nach dem Schalter und machte Licht.
Vorsichtig schritt sie den langen Flur ab. Rechter Hand ein Schlafzimmer, die Küche mit einem kleinen Balkon, ein Klo. Linker Hand ein Bad und schlieÃlich das Wohnzimmer. Hier, im Türrahmen, blieb sie stehen. Alles war ordentlich, sauber und blitzblank. Für einen alleinstehenden Mann und für ihren Geschmack zu ordentlich, zu sauber.
Selbst durch die schallisolierten Fenster hörte sie den Verkehrslärm von unten, nicht aber irgendwelche Musik- und TV -Geräusche der Nachbarn. Das kleine Wohnzimmer wirkte noch winziger, als es war, da alle Wände mit Ausnahme der Fensterseite mit Regalen vollgestellt waren. Regale, in denen sich Schallplatten, CD s, Receiver, Lautsprecher, CD -Player, Plattenspieler, Kassettenrekorder und ein uralter kubusförmiger Fernseher bis unter die Decke stapelten. Ãber dem Fenster eine schmiedeeiserne Vorhangstange mit dunkelblauen Gardinen aus Nessel, genau wie im Schlafzimmer.
Aber sonst fanden sich kein Nippes, kein Telefon
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