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Fränkisch Schafkopf

Fränkisch Schafkopf

Titel: Fränkisch Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Kirsch
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sie eingeschaltet.
    Nachdem sie die Wohnungstür sorgsam verschlossen hatte, klingelte sie nebenan. Keine Reaktion. Aber es musste jemand da sein, sie hörte, wie ein Mann und eine Frau redeten. Sie hörte aus der Unterhaltung die gute Laune der beiden, ja den Übermut heraus, unterbrochen durch kurzes Lachen. Sie presste ihre rechte Hand erneut auf den Klingelknopf und ließ sie dort so lange liegen, bis die Tür aufgerissen wurde und ein junger, höchstens fünfundzwanzigjähriger Mann vor ihr stand. Groß, schlaksig, barfuß, eine Reihe von Freundschaftsbändern um das linke Handgelenk verknotet. Ein labbriges T-Shirt mit dem Aufdruck »Für eine strahlende Zukunft« hing ihm bis auf die Knie herab. Er hatte ein schmales, hübsches Gesicht, das durch den Dreitagebart noch schmaler wirkte, und schulterlange hellblonde Rastalocken.
    Â»Was ist los? Was gibt’s?«, fragte er und gab sich dabei sichtlich Mühe, abweisend und unfreundlich zu klingen. Es gelang ihm nicht sehr überzeugend.
    Â»Mein Name ist Steiner«, sie holte den Dienstausweis aus ihrer Tasche und hielt ihn ihm entgegen, »Mordkommission, Kripo Nürnberg. Und es ist los, dass Ihr Nachbar, Herr Jakobsohn, ermordet wurde. Dazu hätte ich …«
    Â»Das wissen wir schon.«
    Â»Woher wissen Sie das?«
    Â»Es sind ja genug Bullen«, dabei sah er sie herausfordernd an, »hier im Haus rumgehupft, das war nicht zu übersehen.«
    Â»Und hat man Sie schon dazu befragt?«
    Â»Nein. Von euch war noch keiner da. Braucht’s auch nicht, weil ich nichts gesehen habe oder weiß, was ich den Vertretern der Staatsgewalt«, er bedachte sie mit einem ironischen Grinsen, »sagen könnte.«
    Schließlich fügte er noch hinzu, sichtlich stolz auf seine Formulierung: »Nichts, was der Wahrheitsfindung irgendwie dienlich sein könnte.«
    Wider Willen musste sie lächeln. »Das bezweifle ich, dass Sie nichts wissen, Herr …?«
    Â»Brandner, Kaspar Brandner ist mein Name.« Wieder dieses angestrengte Grinsen, das eine Mischung aus Überlegenheit und Gewitztheit darstellen sollte.
    Jetzt erst nahm sie den eigenartig süßlichen, wohlbekannten Duft wahr, der in dünnen Schwaden an ihrer Nase vorbei aus der Wohnung drang. Sie entschied, sich auf sein Spiel einzulassen – und sich nicht provoziert zu fühlen. So ließ sie ihm die sicher falsche Namensangabe durchgehen, vorerst zumindest. Schon allein deswegen, weil sie ahnte, dass wenn die Wirkung dieser unerlaubten bewusstseinserweiternden Hilfsmittel nachlassen würde, ein sanfIt versponnener Kindmann zum Vorschein käme. Der sich ihr gegenüber als Repräsentantin der verhassten Staatsgewalt dann ganz und gar in Schweigen hüllen, sie noch mehr auflaufen lassen würde als ohnehin schon. Oder, was in ihren Augen genauso wahrscheinlich war, es würde hinter der aufgekratzten übermütigen Laune ein maulfauler und schlichter Denker zutage treten, der auf sie dann vielleicht enttäuschend wirkte. Noch war er ihr durchaus sympathisch, genau wie sein toter Nachbar, und diese Sympathie wollte sie noch eine Weile konservieren.
    Darum wiederholte sie lächelnd: »Das glaube ich nicht, dass Sie nichts wissen, Herr Brandner. Sie werden mir doch sicher sagen können, welches Verhältnis Sie zu Herrn Jakobsohn hatten? Sie waren ja immerhin Nachbarn.«
    Â»Ich hatte ein gutes, nein, ein sehr gutes«, korrigierte er sich, und jetzt wirkte sein Mienenspiel ernsthaft, frei von jeder Attitüde, »Verhältnis zum Ulli, wirklich wahr. Wir waren zwar nicht direkt Freunde, aber gute Kumpel. Der Typ war okay.«
    Â»Ah ja. Und – wie war er denn so?«
    Der Barfüßige ließ sich Zeit für seine Antwort. »Er wusste, was wichtig war und was unwichtig. Er konnte beides gut voneinander unterscheiden.«
    Â»Und was war unwichtig in Jakobsohns und in Ihren Augen?«
    Â»Das Geld, das System, oben und unten, sich anzupassen, so Zeug halt.«
    Â»Und wichtig?«
    Â»Wichtig war ihm seine Musik, die stand an erster Stelle. Aber auch sonst wusste er Bescheid, was ablief. Wir haben uns oft darüber unterhalten.«
    Â»Zum Beispiel worüber?«
    Â»Das Leben, die Menschen, das Miteinander. Die Geselligkeit.«
    Bei dem letzten Wort, das in ihren Ohren für so einen jungen Mann antiquiert, ja seltsam klang, horchte sie auf. Sie forschte in seinem

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