Fränkisch Schafkopf
an.
»Nein. Das war leider nicht möglich. Er hat sich ja erst um Herrn Bartels kümmern müssen. Und das hat dieser Mensch genutzt und ist verschwunden, einfach herausgerannt. Aber im Grunde ist ja Gott sei Dank nichts passiert.«
»Nichts passiert? So sehen Sie das. Interessant. Ich sehe das anders.«
Da meldete sich Eva Brunner, die bislang geschwiegen hatte, tadelnd zu Wort. »Jeder Bürger ist verpflichtet, ihm bekannt gewordene Straftaten zur Anzeige zu bringen. Tut er dies nicht, kann er nach Paragraf 258 S t GB wegen Strafvereitelung belangt werden. Und es spielt keine Rolle bei der Strafverfolgung, ob die Straftat zu Ende geführt wird oder nicht.«
In Paulas Ohren klang das ein wenig oberlehrerhaft, schien aber genau der Ton zu sein, der auf Schwester Ulrike Eindruck machte.
»Das wollten wir ja auch, diesen Vorfall zur Anzeige bringen«, verteidigte sie sich. »Wir wissen doch, dass Sie, Frau Steiner, jeden Tag Herrn Bartels besuchen. Da dachten wir eben, das können wir gleich bei Ihnen melden, oder geht das nur auf einer Polizeiwache?«
»Nein, das machen wir gleich hier«, bestimmte Paula. »Aber erst nachdem ich Polizeischutz für Herrn Bartels beantragt habe. Sie, Frau Brunner, lassen sich zu seinem Zimmer führen und werden dort Wache halten, bis Sie ein Kollege ablöst. Und dass das bald der Fall sein wird, dafür werde ich sorgen.«
Dann wandte sie sich wieder der Schwester zu: »Und Sie bringen mir bitte unverzüglich den Pfleger her, diesen Herrn Ãberall.«
Nachdem Schwester Ulrike und Eva Brunner gegangen waren und sie das kleine Zimmer für sich allein hatte, setzte sie sich erst mal. Dachte über diesen Vorfall nach und auch darüber, welche Auswirkungen er hatte. Auf Frau Brunner schien er schon mal starken Eindruck gemacht zu haben, anders waren deren verkniffene Belehrungen der Schwester gegenüber nicht zu erklären. Die Jungpolizistin war offensichtlich von ihrem bisherigen Glauben abgekommen, dass Heinrich »seine Finger bei dem Mord mit im Spiel hatte« und »wir auf jeden Fall auch in diese Richtung ermitteln sollten«. Das war gut. Gut für Heinrich und gut für sie, Paula Steiner. Sie musste jetzt nur dafür sorgen, dass auch die anderen, jene, bei denen Heinrich eben nicht über jeden Verdacht erhaben war, zu dieser Ansicht gelangen konnten.
Als sie Fleischmanns Nummer auf ihrem Handy eingab, umspielte ihre Lippen ein selbstgerechtes, fast schon überhebliches Lächeln.
Sie musste eine Weile warten, erst beim sechsten Läuten meldete sich ihr Chef. In knappen Worten berichtete sie ihm von dem »Mordanschlag«, der zwar gottlob fehlgeschlagen sei, doch um ein Haar gelungen wäre â wenn es da nicht diesen aufmerksamen Krankenpfleger gegeben hätte.
Aufgrund dessen habe sie Herrn Bartels auf ein anderes Zimmer verlegen lassen. Das Klinikum habe sich zwar anfangs etwas geziert, aber letztendlich ihrer Anweisung doch stattgegeben. Als zusätzliche SicherheitsmaÃnahme habe sie Frau Brunner vor dem Zimmer postiert. Natürlich nur vorübergehend, denn schlieÃlich sei sie auf die Mitarbeit ihrer Kollegin dringend angewiesen, zumal nach dieser dramatisch veränderten Sachlage. Sie hoffe nur, bei alldem richtig gehandelt zu haben. Das sei doch auch in seinem Sinne gewesen, oder?
Eine lange Zeit hörte sie nichts. Sie deutete das als gutes Zeichen. Dann versicherte ihr Fleischmann: »Natürlich, Frau Steiner, war das richtig. Nur zu Ihrer Kenntnis, Kriminaldirektor Bauerreià ist gerade bei mir und hört mit.«
Noch besser, jubilierte sie innerlich.
»Gut, was also schlagen Sie vor?«, fragte Fleischmann.
»Ja, wie gesagt, ich kann auf Frau Brunner nicht verzichten. Vielleicht kann einer von Trommens Mitarbeitern den Wachdienst übernehmen? Oder sollen wir die Kollegen von der Polizeiinspektion Nord damit beauftragen? Da bin ich überfragt. Ich weià ja nicht, inwieweit die Kommission 1 derzeit in vorrangige Ermittlungen eingebunden ist.«
Eigentlich war ihr das auch egal, wer nun hier im Nordklinikum das Hausrecht herstellte, ob die Kommission 1 oder die Kollegen von der Inspektion. Na, vielleicht nicht ganz egal. Im Stillen hoffte sie schon darauf, Fleischmann würde mit dieser öden und unspektakulären Aufgabe einige von Trommens Männern beauftragen. Das würde allen guttun, vor allem dem Kommissionsleiter. Sie
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