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Fränkisch Schafkopf

Fränkisch Schafkopf

Titel: Fränkisch Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Kirsch
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abgekühlt.«
    Sie war überrascht. Eine derart moralische Gesinnung hätte sie dem Raucher und Rockfan nicht zugetraut.
    Â»Und wie war das Verhältnis von Herrn Jakobsohn zu seinen anderen Nachbarn? Wie ist er mit den übrigen Hausbewohnern ausgekommen?«
    Â»Gut, denke ich. Er hat auf jeden Fall nichts Gegenläufiges in der Richtung verlauten lassen.«
    Â»Sollte Ihnen doch noch etwas einfallen, was uns helfen könnte, den Mörder Ihres Freundes zu finden, dann rufen Sie mich bitte an«, sagte sie abschließend.
    Â»Und noch eine Bitte habe ich an Sie: Sie erzählen niemandem – niemandem! – von unserem Gespräch hier. Weder von meinen Fragen an Sie noch über eine dieser Informationen, die ich Ihnen in diesem Zusammenhang notwendigerweise zukommen lassen musste. Das ist ganz wichtig.« Ihr war nämlich soeben aufgefallen, dass sie Weberknecht gegenüber ganz und gar nicht notwendigerweise, sondern höchst unprofessionell Heinrichs Rolle in diesem Fall ausgeplaudert hatte. »Ist das klar?«
    Weberknecht nickte. »Aber die Tatsache, dass Ulrich tot ist beziehungsweise ermordet wurde, die darf ich schon weitergeben, an Wolf-Rüdiger zum Beispiel?«
    Â»Ja, das schon. Aber das ist auch alles.«
    Bevor sie gingen, wiederholte Weberknecht seine Bitte, den Freund identifizieren zu dürfen. »Vielleicht glaube ich es ja dann. Wenn ich ihn tot vor mir sehe.«
    Als Paula Steiner und ihre Mitarbeiterin die Roritzerstraße überquerten, sagte Eva Brunner: »Warum haben Sie Weberknecht nicht nach seinem Alibi gefragt?«
    Â»Das mache ich schon noch. Aber heute hätte ich es für unpassend gehalten.« Nach einer Weile setzte sie hinzu: »Und ich bin Ihnen dafür dankbar, dass Sie es auch nicht gemacht haben. Das war in dem Fall vollkommen richtig.«
    Â»Glauben Sie die Geschichte mit dieser Thailänderin? Dass das die ganz große Liebe war?«
    Â»Puh, ich weiß nicht. Aber ich gehe doch davon aus, dass Jakobsohn sie sehr gern gehabt hat. Wenn er schon dieses Foto von ihr in seinem Wohnzimmer aufstellt. Er hat sich ja damit öffentlich zu ihr bekannt.«
    Â»Und warum hat er sie dann nicht, wie er versprochen hatte, nach Deutschland geholt, zu sich?« In der Form eine Frage, im Ton ein einziger Vorwurf.
    Â»Tja, auch das weiß ich nicht. Vielleicht dachte er, er verfügt nicht über ausreichend Geld, dass es für sie beide reicht. Oder …«
    Â»Das glaube ich nicht«, unterbrach Eva Brunner sie ungehalten. »Ich glaube, dass das genau so war, wie man es sich vorstellt, wenn alleinstehende Männer nach Thailand fliegen. Von wegen große Liebe und ›Ich hol dich nach Deutschland‹! Das ist doch alles bloß Gerede!«
    Insgeheim musste sie ihrer Mitarbeiterin zustimmen. Auch wenn sie in den Fotos im Wohnzimmer und im Geldbeutel den Versuch Jakobsohns erkannte, seine Beziehung zu dieser Thailänderin vor sich und vor anderen aufzuwerten. Und Heinrich? Warum war der eigentlich nach Thailand geflogen? Was waren seine Gründe dafür gewesen? Wirklich nur ein Bade- und Kultururlaub? Und warum hatte er dann diese Reise vor ihr geheim gehalten? Weil er peinliche Nachfragen fürchtete?
    Diese Postkarte in der Bartels’schen Wohnzimmervitrine musste sie nochmals in Augenschein nehmen. Und wenn es nur deswegen war, um einen solchen Verdacht auszuschließen. Nein. Nein, nein, Heinrich war von diesem ungeheuren Verdacht frei. So etwas hätte er nicht gemacht. Was sollte auch jemand, der jeden Tag sein Quantum Wagner brauchte, in Thailand? Unvorstellbar. Aber als Reisenden in Sachen Kultur vermochte sie sich ihn auch nicht vorzustellen. Und baden kann man im Mittelmeer preiswerter und unaufwendiger …
    Richtig enttäuscht war sie dagegen von Jakobsohn. Und auch von sich selbst, von ihrer grandiosen Fehleinschätzung. Wie war sie nur darauf gekommen, dass Männer mit einer solch exquisiten Plattensammlung etwas Besseres seien?
    Manche ihrer Ansichten waren doch recht antiquiert, so ihre Selbstkritik.
    Sie sah auf die Uhr. Kurz nach eins.
    Als Eva Brunner wieder hinter dem Steuer Platz genommen hatte, fragte sie: »Sollen wir jetzt gleich zu diesem Eigner fahren oder erst ins Präsidium, Mittag essen?«
    Â»Weder noch. Wir besuchen jetzt Herrn Bartels. Zum Nordklinikum ist es ja nicht weit.«
    Â»Muss ich da mit?«
    Sie spürte Widerstand.

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