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Fränkisch Schafkopf

Fränkisch Schafkopf

Titel: Fränkisch Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Kirsch
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sah das als eine Art tätige Reue für deren Verdacht gegenüber Heinrich.
    Im Hintergrund vernahm sie Bauerreiß’ metallisch-schnarrende Stimme, dann Fleischmann: »Haben Sie akustisch verstanden, was Herr Bauerreiß sagte, Frau Steiner? Nein? Also, wir, der Herr Kriminalrat und ich, sind der Meinung, dass der Wachdienst von uns übernommen werden sollte. Das sind wir unserem Kollegen einfach schuldig. Ich werde veranlassen, dass Frau Brunner in der nächsten halben Stunde abgelöst wird.«
    Als sie sich verabschieden wollte, hängte Fleischmann die Frage an: »Und Sie sind sich sicher, dass Sie bei den Ermittlungen jetzt niemanden zusätzlich brauchen?«
    Â»Ja, da bin ich mir ganz sicher«, antwortete sie. Dann legte sie auf, überaus zufrieden mit diesem Telefonat. Jetzt waren präsidiumsintern ein für alle Mal sämtliche Zweifel an Heinrichs Täterschaft ausgemerzt.
    Erst als sie ihr Handy in der Tasche verstaute, nahm sie den blonden Pfleger wahr, dem sie bei ihrem ersten Besuch mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde gedroht hatte und der nun im Türrahmen fragend auf sie herabsah.
    Â»Meine Kollegin hat mir gesagt, ich soll mich bei Ihnen melden. Hier bin ich.«
    Â»Ach«, erwiderte sie, wobei ein Quäntchen Bedauern mitklang, »dann sind Sie also derjenige, der den Anschlag auf Herrn Bartels abgewehrt hat?« Ausgerechnet diesem Pfleger, der noch vor wenigen Tagen Heinrich einen Mörder genannt hatte, musste sie nun dankbar sein.
    Um nicht auf die Debatte von Sonntagabend zurückzukommen, fragte sie: »Könnten Sie mir den Mann bitte beschreiben?«
    Â»Tja, viel hab ich von ihm nicht gesehen. Er ist ja gleich aus dem Zimmer gestürmt, als ich hereinkam. Das war eine Sache von ein, zwei Sekunden.«
    Â»Gut, dann also der Reihe nach. Größe?«
    Â»Er war nicht groß, aber auch nicht klein. Mittelgroß eben, ganz normal.«
    Â»Und was ist für Sie normal?«, fragte sie und legte Block und Kugelschreiber auf den Tisch.
    Â»Ich weiß nicht, vielleicht eins fünfundsiebzig?«
    Â»Also ein Meter fünfundsiebzig«, notierte sie, dann forderte sie den Pfleger auf: »Bitte setzen Sie sich doch«, und fragte weiter: »Dick oder dünn?«
    Â»Weder noch. Normal, ganz normal würde ich sagen.«
    Sie spürte, wie die Ungeduld an ihren Nerven zerrte. Und an ihrer Stimme. Forscher als beabsichtigt setzte sie nach: »Sie werden sich doch an seine Statur erinnern können. An irgendetwas davon. Also, was ist bei Ihnen normal?«
    Â»Ich weiß net. Hm, ich bin normal zum Beispiel.«
    Â»Weiter. Haar- und Augenfarbe?«
    Entrüstet sah er sie an. »Das weiß ich doch nicht. Er hatte eine Mütze auf. Glaub ich zumindest. Möglich ist es. Und welche Farbe seine Augen hatten, das kann ich Ihnen nicht sagen. Weiß ich nicht. Wie gesagt, das war ja eine Sache von nur ein paar …«
    Â»Jaja, ich weiß: von ein paar Sekunden. Okay. Aber vielleicht können Sie sich ja an seine Kleidung erinnern. Welche Farbe hatte die Hose, welche seine Jacke? Oder an irgendetwas an ihm, das aus dem Rahmen fällt? Jedes Detail kann da hilfreich sein, Herr Überall. Jedes Detail.«
    Â»Kleidung?«, wiederholte der Pfleger abwägend. Diesmal ließ er sich für seine Antwort Zeit. Zeit, die Paula ihm gerne gewährte, weil sie darauf hoffte, er würde sie für eine detailliertere Beschreibung nutzen. Sie hoffte vergebens.
    Â»Vielleicht, dass er graue Hosen anhatte. Sie können aber auch schwarz gewesen sein. Oder braun. Dunkelbraun vielleicht. Und die Jacke? Vielleicht trug er ja auch gar keine Jacke. Sondern ein Sweatshirt?«, fragte er sie.
    Â»Mensch, ich bin doch nicht der Zeuge, sondern Sie!«, schrie sie ihn an. Sie hatte genug von ihm, von seinen Vielleichts, seinen Normals, seinen Ich-weiß-nets. »Ich war doch nicht dabei.«
    Paula Steiner hatte in ihrem langjährigen Berufsleben schon etliche Zeugen von diesem Kaliber vernommen, die sich an rein gar nichts mehr erinnern konnten. Und immer hatte sie für deren Gedächtnisschwäche großes Verständnis gezeigt. Schließlich handelte es sich bei den Tathergängen doch meist um Ausnahmesituationen, bei denen das Erinnerungsvermögen in ihren Augen schon mal kapitulieren durfte. Aber hier nicht, hier war das anders, denn hier ging es um Heinrich. Hier versagte ihr Verständnis für solche

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