Fränkisch Schafkopf
Klingeln. Ohne Erfolg. Und auch nach der zweiten und dritten Klingelattacke blieb die Tür für sie verschlossen.
»Na, dann halt nicht. Dann komm ich eben heute Abend wieder«, sagte Paula.
»Ich komm mit Ihnen, falls Sie möchten.«
»Wenn Sie wollen, gerne. Aber brauchen tut es das nicht. Den kann ich auch allein befragen. So, und jetzt fahren wir zurück ins Präsidium. Sie haben sich doch schon Jakobsohns Kontoauszüge besorgt, oder hab ich das falsch in Erinnerung?«
»Nein, das stimmt. Liegt alles schon auf Ihrem Schreibtisch.«
Um kurz nach halb fünf erreichten sie ihr Büro. Bevor sich Paula dem ansehnlichen Papierstapel auf ihrem Schreibtisch widmete, ging sie in die Teeküche und setzte Wasser auf. Wasser für extrastarken Kaffee, den sie ohne Milch, nur mit Zucker zubereitete, denn sie fürchtete, dieser Arbeitstag war noch lange nicht zu Ende. Nach einem ausgiebigen Schluck nahm sie den Stapel in die Hand, legte ihn wieder auf den Tisch ab, griff erneut danach, blätterte lustlos darin, klopfte die Papiere zu einem akkuraten Stoà auf, stützte die Stirn in die Hand, sah aus dem Fenster und schloss die Augen.
SchlieÃlich zwang sie sich, die vor ihr liegenden Informationen über Jakobsohns Finanzen zumindest wieder in die Hand zu nehmen. Stichprobenartig ging sie die Kontoauszüge durch. Das hieÃ: Sie spielte mit dem Papierstapel Daumenkino, sah mal hier auf eine Einzahlung an die Krankenkasse, mal da â etliche Monate später â auf eine Ãberweisung an den örtlichen Energieversorger. Selbst diese doch nur sehr sporadische und ebenso flüchtige Einsichtnahme bestätigte ihre Befürchtungen: Das war wirklich nur langweiliges Aktenzeug. Heinrich hätte diese Einzelheiten spannend gefunden.
Das einzig Auffällige auf den Auszügen war das Plus von immerhin gut viertausend Euro in Verbindung mit den zahlreichen Minuszeichen. Von Jakobsohns Konto wurde nur abgebucht und abgehoben. Selbst der Hartz- IV -Satz war ihr beim schnellen Umblättern nicht aufgefallen. Aber wovon hat er dann gelebt?
Interessant wurde es das erste Mal 2011. Eine Einzahlung von zehntausend Euro. Ãberwiesen hatte sie ein gewisser Bartels, Heinrich. Als Verwendungszweck war in dürren Worten »Zum Verpulvern« angegeben. Sie starrte auf den Auszug und â war gerührt. Denn Heinrich, der selbst nicht übermäÃig viel verdiente, schien seinem Freund diese beachtliche Summe nicht geliehen zu haben. Für sie sah das vielmehr nach einer groÃzügigen Spende aus, nach einem Geschenk. Von jemandem, der über ein regelmäÃiges Einkommen verfügte, an einen, der dies eben nicht hatte. Ein wahrer Freundschaftsdienst.
2008 stieà sie durch Zufall auf die nächste Ãberraschung. Diesmal war es eine Ãberweisung von Weberknecht. Immerhin fünfzehntausend Euro hatte der Lehrer im März jenes Jahres auf das Konto seines Freundes eingezahlt. Doch diesmal schien es sich nicht um eine Schenkung zu handeln, in der Betreffzeile war nämlich »Darlehen« eingetragen.
Da ging Paula einer dieser typischen Sinnsprüche fürs Poesiealbum, über die ihre Mutter reichlich verfügte, durch den Kopf: Bei Geld hört die Freundschaft auf. Doch im Gegensatz zu Johanna Steiner glaubte Paula Steiner nicht an solche Lebensweisheiten. Aber warum hatte Heinrich Jakobsohn das Geld anscheinend geschenkt, während dessen bester Freund es ihm nur geliehen hatte? Die Einkommensverhältnisse zwischen einem Oberkommissar und einem Lehrer waren doch so unterschiedlich nicht.
Fünfundzwanzigtausend Euro, davon hatte Jakobsohn die letzten sechs Jahre gezehrt. War das genug zum Leben â und vor allem genug für eine zusätzliche Fernreise jedes Jahr? Ihrer Ansicht nach nicht. Wann waren Jakobsohns Eltern noch mal gestorben? Genau, 2007. Sie blätterte zurück, aber nirgendwo eine Ãberweisung, die auf das Erbe einer Haushälfte im Nobelviertel Ebensee schlieÃen lieÃ. Weberknecht hatte sich geirrt. Oder Jakobsohn hatte ihm bei seiner Erbschaft etwas vorgemacht.
Also musste Jakobsohn noch andere Geldgeber gehabt haben, die ihm hin und wieder etwas zusteckten. Vielleicht sein Freund Eigner? Den würde sie danach fragen. Oder Jakobsohn hatte ein Sparbuch gehabt, das ihm aus seiner offensichtlichen dauerhaften finanziellen Klemme half.
»Frau Brunner, ein Sparbuch war wohl nicht dabei?
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