Fränkisch Schafkopf
diesem kleinen Schnitzer abgesehen glaubte sie ihm, nahm ihm seinen Wohlstand ab. Eigners Hauptberuf hieÃ, neben seiner geringfügigen Beschäftigung als Stiftungsvorstand, Sohn. Um Geld musste er sich keine Sorgen machen. Auch wenn seine altmodische, abgetragene Kleidung und der fehlende Haarschnitt dagegensprachen.
»Gemeinnützige Stiftungen treten ja derzeit vermehrt auch auf dem Spendenmarkt auf«, sagte Frau Brunner, und es war ihr deutlich anzuhören, dass ihr das missfiel. »Machen Sie das mit Ihrer Griechenland-Tierhilfe auch?«
»Ja, aber nur ganz peripher und sehr dezent. Es gibt Vereine, die scheuen vor nichts zurück. Das ist teilweise schon schamlos, geradezu obszön, mit welchen Mitteln die potenziellen Spender da angegangen werden«, erwiderte Eigner gelassen.
»Hat Ihre Stiftung das DZI -Spenden-Siegel?«, wollte Eva Brunner wissen.
»Nein«, antwortete Eigner, »noch nicht. Das Tagesgeschäft lieà mir bis dato keine Zeit, mich darum entsprechend zu kümmern. Um sich für dieses Zertifikat zu qualifizieren, ist, wie Sie sich denken können, ein sehr zeitaufwendiges Zulassungsverfahren Voraussetzung.«
Nach einem Seitenblick zu Paula schob er die Brille auf die Stirn, um sie sofort wieder auf die Nase zu setzen. Es sollten die beiden einzigen Abweichungen in seiner erstarrten Gestik und Mimik sein. Für einen kurzen Moment hatte das Pokerface die Fassung verloren und die Wagenburg, hinter der er sich bislang verschanzt hatte, verlassen.
»So eine Stiftung seriös und mit Effizienz«, Paula bediente sich bewusst Eigners Wortwahl, »zu leiten, stelle ich mir sehr schwierig vor. Das war in den Anfangsjahren sicher nicht immer leicht für Sie?«
»Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen widerspreche, Frau Steiner. Aber diese Arbeit ist mir zu keinem Zeitpunkt schwergefallen. Mag sein, dass ich eine Neigung dazu habe. AuÃerdem habe ich Betriebswirtschaftslehre studiert. Auch in Hinblick auf die vor mir liegende Tätigkeit als Stiftungsvorstand. Dabei konnte ich mir solche gerade für diese Arbeit unabdingbaren Kenntnisse wie Buchhaltung, Werbung, Public Relations et cetera pp. aneignen. Kenntnisse, über die mein Vater nicht verfügte.«
»Dann habe ich nur noch eine Frage an Sie. Kennen Sie jemanden aus Herrn Jakobsohns Umfeld, dem Sie diesen Mord zutrauen?«
Eigner schüttelte verneinend den Kopf.
»Dann anders gefragt: Wissen Sie von Feinden, die er hatte, beziehungsweise von Leuten, die ihm nicht wohlgesonnen waren?«
»Weder noch. So speziell waren wir nicht miteinander.«
»Gut, dann habe ich im Augenblick keine Fragen mehr an Sie.«
Paula begleitete Eigner zurück in die Eingangshalle.
»Schön, dass Sie so pünktlich gekommen sind. Es wäre Ihnen doch sicher auch lieber gewesen, wenn wir dieses Gespräch bei Ihnen daheim hätten führen können; dann hätten Sie sich das sparen können, hier persönlich vorzusprechen. Aber leider waren Sie gestern Abend zu Hause nicht zu erreichen.« Sie sah fragend zu ihm auf.
»Ach Frau Steiner, das ist nicht der Rede wert. Ich hoffe nur, ich habe mit meiner Aussage ein klein wenig dazu beitragen können, diesen Mord schnellstmöglich aufzuklären.«
Paula hatte zwar statt dieser verbalen Girlanden eine Erklärung erwartet, wo Eigner gestern Abend gewesen war, doch sie fragte nicht nach.
Auf halber Treppe zwischen Erdgeschoss und erster Etage blieb sie stehen und sah aus dem Fenster auf den Präsidiumsparkplatz. Von diesem Termin hatte sie sich mehr versprochen. Nicht unbedingt eine konkrete Spur, nein, das nicht, aber was dann? Vielleicht einen tieferen Einblick in das Beziehungsgeflecht dieser Schafkopfrunde, eine Vorstellung davon, was diese vier unterschiedlichen Männer zusammenhielt? So aber blieb von diesem Gespräch nur ein Bild â Eigners Pokerface. Dann ein Klang, und zwar der verächtliche Gleichmut, der aus dem »So speziell waren wir nicht miteinander« sprach. Und ein unbehagliches Gefühl. Das Gefühl, etwas Entscheidendes verpasst zu haben, nicht aufmerksam genug gewesen zu sein.
Als sie ihr Büro betrat, wurde sie von einer aufgebrachten Eva Brunner bereits mit Ungeduld erwartet.
»Also, ganz sauber ist dieser Eigner nicht. Wussten Sie, Frau Steiner, dass in Deutschland von den Tausenden gemeinnütziger Vereine nur eine Handvoll das DZI -Spenden-Siegel hat? Das hab ich gerade
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