Fränkisch Schafkopf
im Internet nachgeschaut. Und von wegen zeitaufwendiges Verfahren! Das ist überhaupt nicht aufwendig, man muss bloà bereit sein, sich in die Bücher schauen zu lassen, und alles offenlegen. Wer nichts zu verbergen hat, kann diese Prüfung relativ locker durchziehen. Aber das wollen anscheinend die wenigsten. Weil nämlich die meisten eingetragenen Vereine und auch Stiftungen nur darauf aus sind, möglichst viel Geld abzusahnen, von ahnungslosen Spendern. Diese sogenannten Hilfsorganisationen sind doch in der Regel unseriös bis dort hinaus!«
Frau Brunner redete sich mehr und mehr in Rage. »Die leben alle von dem schlechten Gewissen der Leute, und das sehr gut. Haben Sie schon einmal einen solchen Bettelbrief aus dem Briefkasten gezogen? Ich schon, vor allem in der Adventszeit. Wer einen da alles um Geld angeht! AuÃerdem frag ich mich, wo die meine Adresse herhaben. Das kann doch nicht mit rechten Dinâ¦Â«
»Frau Brunner«, schnitt Paula Steiner ihrer Mitarbeiterin ungeduldig das Wort ab, »auch ich kriege solche Post. Massenhaft. Aber man muss ja nicht â¦Â«
»Und oft versteckt sich hinter einer solch angeblich wohltätigen Organisation nur ein Telefonanschluss, wussten Sie das? Wenn überhaupt, meist ist es nämlich nur eine E-Mail-Adresse. Für mich ist das organisierter Betrug. Da sollte man mal ansetâ¦Â«
»Ja, da haben Sie durchaus recht. Sollte man. Wir beide arbeiten aber nicht im Dezernat 2, sondern bei der Mordkommission. Und von daher sei die Frage an Sie erlaubt, inwiefern das alles, liebe Frau Brunner, mit unserem Fall zu tun hat. Oder anders gefragt: Hilft uns das denn in puncto Motivlage weiter?«
Rhetorische Fragen, auf die sie ein klares Nein erwartete. Das aber blieb Eva Brunner ihr schuldig.
»Irgendwie mit Sicherheit. Vielleicht geht es um Geld, und zwar um viel Geld. Das würde auch hervorragend zu dem Täterprofil passen, worüber ich mir schon Gedanken gemacht habe und das ich in etwa so beschreiben würde, also wenn ich müsste: Nähe zu Schusswaffen, starke Selbstkontrolle, sozial angepasst, Mangel an Empathie, Mangel an Gewissen und finanziell sehr schlecht aufgestellt.« Die blauen Augen der Jung-Profilerin leuchteten hell auf, beschwingt und in der unerschütterlichen Gewissheit, damit ausreichend Licht in die Motivlage gebracht zu haben.
»So. Aha. Ein finanziell sehr schlecht aufgestellter Täter erschieÃt also den finanziell sehr schlecht aufgestellten Jakobsohn«, ergänzte Paula und tunkte dabei ihre Stimme in beiÃenden Spott. »Jetzt müssen Sie mir nur noch erklären, wo das Geld ist, das den Täter zu diesem Mord bewogen hat.«
Achselzucken am Schreibtisch gegenüber. »Das kann ich Ihnen im Augenblick noch nicht sagen. Da muss ich erst mal nachdenken.«
Während Eva Brunner nachdachte, rief Paula Karl Weberknecht an. Erst nach dem sechsten Klingeln hob er ab und fragte verärgert mit schlaftrunkener Stimme: »Ja? Was ist denn?«
»Es ist, Herr Weberknecht, dass wir uns nochmals unterhalten müssen. Vor allem über Ihre Suspendierung und über Ihr anhängiges Verfahren.«
»Was hat denn das mit dem Mord an Ulrich zu tun?«
»Die Antwort darauf, Herr Weberknecht, überlassen Sie bitte mir. Also, wann passt es Ihnen, wann können Sie ins Präsidium kommen?«
»Morgen Nachmittag um fünfzehn Uhr.«
»Heute geht es wohl nicht?«
»Nein!« Dann legte er gruÃlos auf.
Sie sah auf die Uhr. Bereits Viertel nach elf. Wo blieb Jakobsohns Schwager? Sie fragte an der Anmeldung nach. Doch nein, auf sie wartete niemand, auch kein Herr mit Namen Harrer.
Was tun? In der Kantine einen Happen essen? Eine gute Idee, denn ihr knurrte nach dem mageren Frühstück heute Morgen bereits der Magen. Andererseits aber verabscheute sie Unpünktlichkeit. Sie ging also nicht in die Kantine, sondern rief in der BlumröderstraÃe an. Nachdem sich dort niemand meldete, bat sie Frau Brunner, es bei Herrn Harrer senior an dessen Arbeitsplatz, einer Steuerberatungskanzlei, zu versuchen.
Am Ende des Gesprächs sagte ihre Mitarbeiterin bedauernd: »Das wussten wir ja nicht, entschuldigen Sie ⦠Brunner ist mein Name ⦠Doch, ich arbeite bei der Mordkommission.«
»Sebastian Harrer wurde heute Morgen um sieben Uhr zehn nahe der Wöhrder Wiese tot aufgefunden. Unsere Leute haben ihn aus der Pegnitz bei dem
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