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Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Titel: Fräulein Hallo und der Bauernkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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gleichen Teilen zwischen meinem älteren Bruder und mir aufgeteilt. Damals hatte der Vater von Wule die Universität bereits abgeschlossen und ist nach Jiangxi gegangen. Er war der wildeste von uns drei Brüdern.
    Mein älterer Bruder Zhou Shugui war ein Verschwender, wenn ich einmal dort bin, werde ich ihn vor den König der Unterwelt zerren, damit der über ihn zu Gericht sitzt. Er hat sich in allen möglichen Kreisstädten herumgetrieben und ist dort opiumsüchtig geworden – von seinen Fress- und Saufgelagen, der Hurerei und dem Glücksspiel gar nicht zu reden! Ihr jungen Leute wisst das vielleicht nicht mehr, wenn man damals opiumsüchtig wurde, dann war’s das, ein Familienvermögen von zehntausend Schnüren mit je tausend Messingmünzen löste sich in Rauch auf wie nichts. In ein, zwei Jahren hatte er Land und Haus verkauft. Am Ende hat er seine Frau verpfändet. Sie hat sich ein paar Mal in den Stausee gestürzt, aber sein verstocktes Herz nicht aufrütteln können. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als zum Oberhaupt der Sippe zu gehen und die Trennung zu verlangen, sie zog es vor, eine lebendige Witwe zu sein.
    Das Sippenoberhaupt rief einen seiner Diener herbei und ließ Zhou Shugui an einen Baum binden, acht Tage lang, bei Sonne und Regen, um ihm so die Sucht auszutreiben. Doch kaum hatte man die Seile gelöst, kam er schon in mein Haus gelaufen und wollte Geld. Er ging in den Kotau, wälzte sich auf dem Boden, ohrfeigte sich selbst, schlug zu guter Letzt gegen die Wand und drohte, er werde die Ahnenbilder in ihren Nischen anzünden.
    Mich schauderte, also verfasste ich ein Schriftstück, in dem ich ihm die Bruderliebe aufkündigte. Er malte seine Unterschrift darunter, schnappte sich die zehn Silberdollar, die ich ihm hinhielt, und ließ sich nicht mehr sehen. Denk nur, wo soll so ein Mensch noch hin! Selbst ein gütiger Mann wie unser Sippenältester sah sich am Ende gezwungen, die ganze Sippe zusammenzurufen und zu verkünden, dass Zhou Shugui aus der Dorfgemeinschaft ausgestoßen sei und wenn der Schweinehund die Stirn haben sollte, den Fuß wieder auf unseren Grund und Boden zu setzen, werde er auf der Stelle in Stücke gehauen.
    Um mein Gesicht wiederzugewinnen, stand ich mit den Hühnern auf und ging mit ihnen zu Bett. Ich war Salzhändler, außerhalb, meine Frau, die mit unserem sechsten Kind unterwegs war, arbeitete mit den Tagelöhnern zusammen auf dem Feld. Ich schwor mir, dass ich das von Zhou Shugui verschleuderte Familienvermögen wieder beschaffen würde. Etwas aufzubauen ist schwierig, und es ist genauso schwer, es zu bewahren. Zum Glück legten Zhou Shuguis Frau und seine Kinder Ehre ein, alles, was recht ist, so dass ich 1937 nicht nur seine Schulden bereinigen, sondern auch seine Frau und seine zwei Kinder, die bei ihren Eltern lebten, zurückholen konnte. Sie zog im rechten Flügel ein. Diesen großen Haushalt vor Augen, wo jeder das Seine hatte, wo das Vieh gedieh und die Tage immer besser wurden, schickte ich mich an, morgens und abends Räucherwerk anzuzünden, um den Ahnen für ihren Segen zu danken.
    Doch das Glück war nicht von Dauer, die Befreiung kam. [78] 1950 zogen die Arbeitsgruppen der Agrarreform auf die Dörfer, und ich wurde zum »Grundbesitzer« gestempelt. Im Dorf gab es fünf, sechs Grundbesitzer, der Sippenälteste und der Dorfgendarm waren sogar »despotische Grundherren«. Nach einer Kampfversammlung in der Gemeinde, zu der sie in Fesseln vorgeführt wurden und auf der das bittere Gestern dem süßen Heute gegenübergestellt wurde, wurden sie hingerichtet. Ich, die Mutter von Wule und eine ganze Reihe von Grundherren und reichen Bauern gingen zum Ort der Hinrichtung mit. Das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich an Hals und Händen gefesselt war. Ach, ich war auch in der Schule gewesen, damals gab es auf dem Land Privatschulen, die aus einer Klasse bestanden, dort hatte ich etwas erfahren vom Dao des Kongfuzi und des Mengzi: Sammle die Tugend und handele gut! Ich hatte anderen nie eine Grube gegraben, aber die Leute aus dem Dorf, die mich früher mit Respekt behandelt hatten, zeigten auf einmal ein ganz anderes Gesicht, sie zeigten mit den Fingern auf mich und bekämpften mich. Zwei Tagelöhner aus meinem Hause waren im Komitee der Vereinigung der armen und mittleren Bauern. Sie leiteten die Arbeitsgruppe, die in unser Haus kam und Grund und Boden, Haus und Hof und Vieh registrierten. Sämtliche Grundbriefe und Katasterunterlagen wurden beschlagnahmt!

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