Fräulein Hallo und der Bauernkaiser
Überprüfung der Wohnsitze Klinken geputzt, aber vor solchen Überprüfungen wurden wir vom Einwohnerkomitee bis zur Polizeistation über die Feindaktivitäten unterrichtet, weshalb es nach außen hin wie eine normale Kontrolle aussah, dabei hatten wir insgeheim längst einen Schwerpunkt zweifelhafter Objekte.
LIAO YIWU:
1957 ist mein Onkel mütterlicherseits als einer der letzten amnestierten Kriegsverbrecher nach Hause gekommen, dann ist er von Ihnen kontrolliert worden und musste eine Nacht auf der Polizei vertun.
MI DAXI:
Dein Onkel war von der Guomindang, sein ganzes Auftreten war verdächtig, da kommt es schnell zu Missverständnissen. Trotzdem, in zig Jahren war das mein einziges Missverständnis. Ach, das ist alles Vergangenheit. Heute, heute braucht man eine ganz andere Wucht, wenn man gegen Verbrecher vorgehen will, man muss mehrmals im Jahr das Netz zuziehen, das Amt für Öffentliche Ordnung und die bewaffnete Polizei gehen im Bezirk und in der ganzen Stadt gemeinsam vor, selbst das Polizeirevier hat nur noch unterstützende Funktion, und das Einwohnerkomitee läuft halt so mit. Aber im Vergleich zu früher spielen wir höchstens noch die zweite Geige.
LIAO YIWU:
Ist das gut oder schlecht?
MI DAXI:
Das ist sogar ein Glück! Aber so wird natürlich die Aktivität der Massen gedämpft.
LIAO YIWU:
Heute ist nicht mehr die Zeit für einen Bürgerkrieg, das Land wird nach Gesetzen regiert, auf die Massen ist kein Verlass. Natürlich von Ihrer Generation einmal abgesehen.
MI DAXI:
Genosse Ermao, wie kannst du dich gegen die Massen stellen?
LIAO YIWU:
Wenn ich mich nicht gegen die Massen stellen würde, hätte ich Sie heute nicht aufgesucht. In diesem Bezirk hier haben sich früher die meisten Arbeitslosen von ganz Chengdu gesammelt, und heute gibt es hier außer Klein- und Straßenhändlern nur noch Klein- und Taschendiebe. Unser altes Haus ist mehrfach aufgebrochen worden, wir haben nichts von Wert eingebüßt, nur ein paar alte Flaschen Wein, einen Kühlschrank und einen kaputten Fernseher. Ich habe keine Anzeige erstattet, denn wenn ich wegen solcher Kleinigkeiten Anzeige erstattet hätte, hätten die Leute sich totgelacht. Direktor Mi, Sie kennen das, vorgestern hatten diese beiden Brüder Streit, der Jüngere hat dem Älteren ein Messer hineingejagt, ein Glück, dass niemand ums Leben kam, aber das blieb auch unter uns, es wurde keine Anzeige erstattet. Das ist Tradition in dieser Ecke, es kann doch nicht sein, dass Sie das nicht wissen.
MI DAXI:
Ich weiß es, aber man muss darauf vertrauen, dass die Regierung genug Entschlusskraft hat, solche Probleme zu lösen. Ach ja, du bist besorgt, aber die Regierung macht sich noch viel mehr Sorgen als du. Im vergangenen Jahr hat hier an diesem Eingang im Namen des Einwohnerkomitees ein Teehaus aufgemacht, das war jeden Tag brechend voll. Ich habe eigentlich nur auf die veränderte Situation reagiert, es geht nicht mehr wie früher, wo man durch die Lautsprecher brüllte und sofort alles mit einem Schemel unter dem Arm gelaufen kam, um eine Versammlung abzuhalten; aber wenn man ein Teehaus aufmacht, dann kommen die Leute von selber, auch ohne Benachrichtigung. Wir haben den Platz genutzt und haben sowohl Tee verkauft als auch die Politik der Partei unter die Leute gebracht. Außerdem kann man so auch das Problem von nicht ausgelastetem Personal lösen und den Leuten eine Beschäftigung verschaffen, mehrere Fliegen mit einer Klappe. Woher hätte ich wissen sollen, dass die Leute im Teehaus nichts aus der Zeitung hören wollen, von offiziellen Dokumenten gar nicht zu reden. Sie hören nicht nur nicht zu, sie lachen einen auch noch aus. Meine Tochter meinte, ich solle ein wenig aktiver werden, wenn keiner bei der Zeitungslektüre zuhöre, dann müsse ich dazu die Trommel aus der Sichuan-Oper schlagen, das sei traditionelle Kultur, es sei überhaupt kein Widerspruch zwischen dem Sozialismus und der Verbreitung der alten Tugenden wie Loyalität, Pietät, Menschlichkeit und Rechtschaffenheit. So ist es gekommen, die Alten haben es begrüßt, die Jungen haben Ärger gemacht, und als wir eines Nachts begannen, hat das jemand dem Fernsehen gemeldet und verlangt, dass ein Reporter vorbeikommen solle, um über diesen Fall von »Lärmverschmutzung« zu berichten. Man kann es nicht allen recht machen, ich als Direktor des Einwohnerkomitees hatte auch keine Idee. Ha, du hast auch keine Idee, aber die Massen selbst hatten eine Idee: Mah-Jongg! Wir stellten sechs,
Weitere Kostenlose Bücher