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Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Titel: Fräulein Hallo und der Bauernkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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sieben Tische auf, aber sie wollten noch mehr. Dann fragt einen auch keiner mehr, alle bringen selbst von zu Hause Tische und Bänke mit. Nach einer Weile hatten sie einen richtigen Damm aufgestellt, der auch noch bis um die Ecke ging, und dann schloss noch einer ein Stromkabel an und zog elektrisches Licht ein. Was soll man sagen, das Einwohnerkomitee war dabei, sich in eine Spielhölle der Massen zu verwandeln. Man schlug sogar vor, ich solle Tischgebühr verlangen: »Ob jemand Tee trinkt oder nicht, spielt keine Rolle, solange er Mah-Jongg spielt.«
    LIAO YIWU:
    Das heißt, der Gott des Reichtums kam zur Tür herein, den können Sie nicht aufhalten.
    MI DAXI:
    Wie kann denn ein Kader wie ich, der so viele Jahre von der Partei ausgebildet worden ist, die Leute auf die schiefe Bahn bringen?
    LIAO YIWU:
    Ist Mah-Jongg schon schiefe Bahn? Dann ist die gesamte Bevölkerung von Chengdu auf der schiefen Bahn, es gibt kein Teehaus, in dem nicht gespielt wird.
    MI DAXI:
    Eine ganze Reihe von Leuten hocken die ganze Nacht im Teehaus beim Mah-Jongg herum, wenn sie gewinnen, wird gefressen, gesoffen und zu den Prostituierten gegangen, wenn sie verlieren, dann machen sie krumme Geschäfte. Ich bereue, dass ich zu spät auf den Gedanken kam, den Laden zuzumachen, solange noch Zeit war, selbst meine Tochter mahnte mich, es einfach laufen zu lassen. Und doch, ich bin Direktor des Einwohnerkomitees, ich trage für die öffentliche Sicherheit in diesem Abschnitt die Verantwortung. Einmal hat der Bucklige aus Haus fünf über zehntausend verloren, er ist durchgedreht und hat zu Hause Insektengift gesoffen, zum Glück hat seine Frau das früh genug entdeckt. Als es so weit gekommen war, blieb mir nichts anderes übrig, als mich zu stellen, den Vorfall zu melden und die Spieler verhaften zu lassen, was soviel bedeutete, wie mir selbst die Tür zuzusperren. Viele haben mich hinter meinem Rücken verflucht und beschimpft, und wegen dieser Sache habe ich dann gekündigt, und meine Tochter hat auf Beschluss der Polizeistation meine Aufgabe übernommen.
    LIAO YIWU:
    So wie es aussieht, meinen Sie noch immer, was Sie sagen.
    MI DAXI:
    Meine Tochter ist über fünfzig, Qigong, Yangge-Volkstanz, sie ist sehr begehrt, und ihre Art ist viel geeigneter, um sich in die Massen zu integrieren.
    LIAO YIWU:
    Als das Teehaus zusammengebrochen war, wie haben Sie da Ihre Arbeit wieder zur Entfaltung gebracht?
    MI DAXI:
    Ich habe mir auf dem Dach einen Hochtonlautsprecher anbringen lassen, der morgens, mittags und abends die Politik und die Richtlinien der Partei verbreitet. Im Grunde ist das das Vorgehen, an dem das Einwohnerkomitee für Jahrzehnte festgehalten hat. Früher hatten die Leute zu Hause keine Fernseher, und es war nicht Sitte, dass jeder eine Zeitung hatte. Deshalb waren diese Durchsagen sehr beliebt. Vor den achtziger Jahren hatte ich einen speziellen Ansager zur Hand, der gewöhnlich die Dokumente und die Zeitung verlas und außerdem auch noch Musik brachte, also ungefähr so wie das Zentralradio auch; manchmal haben wir auch einfach das Programm des Zentralradios übertragen, ab und zu gab es auch Nachrichten aus unserem Bezirk. Aber dann ist nach und nach das Fernsehen aufgekommen, das war dann eine Situation, wo unsere Meldungen nicht mehr mit konnten.
    LIAO YIWU:
    Lassen Sie mich doch einmal Ihr Sendebüro sehen!
    MI DAXI:
    Das ist dahinten in der Ecke, lass mich Licht machen, sonst ist es stockfinster und du findest dich nicht zurecht. Den Strom der Allgemeinheit soll man sparen, wo man kann.
    LIAO YIWU:
    Wenn es so dunkel ist, wie gehen Sie dann Ihrer Arbeit nach?
    MI DAXI:
    Mein Schreibtisch steht in der Tür, Unbefugte müssen nicht unbedingt ihre Nase hier hereinstecken.
    LIAO YIWU:
    He, das sollten sie aber unbedingt! Wenn das Licht an ist, dann kommt der Glanz dieser vier Wände erst richtig zur Geltung! So viele bestickte Ehrenwimpel und Verdiensturkunden! Die passen fast gar nicht an die paar Wände! Ah, und hier, die großen Plakate, Marx, Engels, Lenin, Stalin, Mao! Ich erinnere mich, dass ich die als Kind auch hatte.
    MI DAXI:
    Das Einwohnerkomitee ist dreimal umgezogen, und bei jedem Umzug wurde das Büro kleiner, mehr als die Hälfte der Wimpel und Urkunden liegt im Schrank, die können wir nicht aufhängen, besonders ungebührlich ist das mit den Bildern der fünf Vorsitzenden, man kann sie nicht untereinander hängen, und um die Ecke, das sieht auch nicht gut aus, also mussten wir sie an den Rändern überlappen

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