Fräulein Hallo und der Bauernkaiser
von Basis-Bürokraten, die nach oben logen und nach unten betrogen und die in Windeseile ihre Netze auslegten und Beziehungen spannen. 1961 , 1962 , als schon ganz klar wurde, dass die Leute verhungerten, haben sie noch immer falsche Erfolgsberichte nach oben geschickt, die Lage sei durchweg ausgezeichnet und so. Ach, Sie sind zu jung, Sie können nicht wissen, was für eine Wut die Leute damals auf die Arbeitsgruppen und den Bürokratismus im Bauch hatten! Bevor der Vorsitzende Mao die Kulturrevolution in Gang gesetzt hat, hat er überall Untersuchungen angestellt und ist sich wohl bewusst geworden, dass eine Umgestaltung der Partei unbedingt nötig ist.
Über Nacht waren mit der Kulturrevolution die Berge rot, die Arbeitsgruppen wurden vertrieben, die Speerspitze des Kampfes richtete sich auf das Parteikomitee, unsere Rebellentruppe ging voran, und die Schülerkader, die sich uns zuvor entgegengestellt und um das Parteikomitee geschart hatten, bildeten das Der-Osten-ist-rot-Korps und taten sich als Rebellen wichtig. Toll, dabei wurden in jeder Einheit Gruppen gebildet, die Prüfung der Organe war längst zum Stillstand gekommen. Deshalb brauchte man auch keine Registrierungen mehr oder Genehmigungen, es genügte, wenn sich ein paar Leute zusammentaten, eine Versammlung abhielten, sich einen Stempel gravieren ließen, die rote Armbinde umbanden und auf der Straße eine rote Fahne hissten, dann waren sie im Spiel. In einem so kleinen Kreis wie Yanting haben sich in ein paar Tagen wohl weit über hundert Gruppen gegründet, es ging hoch her, es war wie ein Fest.
LIAO YIWU:
Wer hat denn die ganzen Gruppen geleitet?
LIU WEIDONG:
Niemand, das Kreiskomitee war längst gestürmt, und der Sekretär und der Kreisvorsitzende waren festgenommen worden. Bei der großen Kampfversammlung an diesem Tag waren zehntausend Menschen, der Sportplatz von Yanzhong war eine einzige Welle der Begeisterung und die roten Fahnen aller Gruppen flatterten. Leute vom Kreiskomitee und vom Amt für Kultur und Erziehung, der reaktionäre Schuldirektor von Yanzhong und ein paar dutzend Grundbesitzer, reiche, rechte und schlechte Elemente, Militärs, Polizisten, Verfassungsschützer, Rinderteufel und Schlangengeister wurden mit hohen Mützen auf dem Kopf und schwarzen Schildern um den Hals vor den Richtertisch geführt und einen Vormittag lang bekämpft und am Nachmittag anschließend öffentlich durch die Straßen geführt. Die Massen am Rande der Straße riefen Parolen, spuckten sie an, warfen mit Steinen und schlugen den Handlangern des Kapitals die Gesichter blutig; ein paar kleine Kinder, fast noch Babys, liefen ihnen hinterher und zogen ihnen Bambusgerten über, alles war außer Rand und Band, die Liebe zum Vorsitzenden Mao und der Hass auf den Feind hatten sich verbunden. Denken Sie doch, der Kreisvorsitzende und der Komiteesekretär, wann hatte man die in normalen Zeiten schon einmal zu Gesicht bekommen!? Sie thronten über einem als sogenannte mütterliche und väterliche Beamte! Aber jetzt hatte der Vorsitzende Mao den Massen Mut gemacht, jetzt waren sie bereit, jemanden in Stücke zu reißen und den Kaiser vom Pferd zu zerren.
LIAO YIWU:
Das Quälen von Menschen hat sie alle so erregt?
LIU WEIDONG:
Nicht nur erregt, es war wie ein Fieber. Das ist in zahllosen politischen Kampagnen herangezüchtet worden. Doch eins war anders: Früher hatten alle unter der Kontrolle der Partei enthüllt, was zu enthüllen war, man war Mitglied einer Bewegung, aber jetzt war das alles auf den Kopf gestellt, wenn man die Machthaber, die alle früheren Bewegungen zusammengerufen hatten, totschlug oder verletzte, wurde man nicht zur Rechenschaft gezogen. Als ob man einen kleinen Dieb auf der Straße fange, ganz egal, ob etwas verloren gegangen war oder nicht, man wollte seinen Fäusten und Tritten freien Lauf lassen. Das Gesetz beherrschte die Massen nicht, je grausamer man war, um- so eher konnte man ein Held werden. Ich stand damals auf der Bühne und trug die Verantwortung für die Ergreifung und den Kampf gegen den reaktionären Schuldirektor, alles schrie Parolen, und ich drückte mit ein paar anderen den Kopf mit dem schlohweißen Haar nach unten. An der Mütze, die er auf dem Kopf hatte, waren Draht und Bleistückchen angebracht, die Ränder der Mütze drückten sich in die Haut, aber das befriedigte unseren Hass noch nicht. Ein paar Tage später ertrug der reaktionäre Schuldirektor es nicht mehr und wimmerte die ganze Nacht. Einmal um
Weitere Kostenlose Bücher