Fräulein Hallo und der Bauernkaiser
als wollte ich nicht zu Geld kommen, aber ich kann nichts, und ich habe mit dem Geld kein Glück. Ich bin aus Yibin, im Kreis Jiang’an, sechste Gruppe des zweiten Dorfes der Gemeinde Xijiashan, Bauern seit Generationen. Unsere Gegend hat in der Qing-Dynastie einen Juren hervorgebracht, er hat sich einen vom Fengshui her tollen Platz ausgesucht, um sich ein großes Haus zu bauen, das wurde dann in der Familie weitergereicht, und heute ist es im ganzen Land berühmt, man nennt es das »Wohnhaus der Familie Xi im Stil der Region«. Tausende von weißen Kranichen nisten in dem Dorf, wo das Haus in der Mitte steht, es heißt deshalb auch das Bergdorf der weißen Kraniche. Unser Haus steht an einem Bergpass in der Nordwestecke des Kranichdorfs, meinen Eltern geht es gut, wir sind drei Brüder, der Älteste hat schon eine eigene Familie und einen eigenen Beruf. 1993 war ich vierundzwanzig und hätte nach den Bräuchen auf dem Land längst verheiratet sein sollen. Ich war mit meiner Partnerin schon über ein Jahr liiert, und weil unser Dorf weit und breit dafür bekannt war, dass es den Leuten dort gutgeht, kamen jedes Jahr die Leute aus den umliegenden Dörfern und haben sich junge Kraniche und Gelege geholt, um sich einen gar nicht so kleinen Nebenverdienst zu verschaffen, deshalb wollte auch sie möglichst bald geheiratet werden. Kurz, damals hatten wir einen kalten Herbst, und die Bauern hatten wenig zu tun, wir brachten zu Hause fünftausend Kuai zusammen und baten alle Handwerker, an einer Ecke des alten Hauses einen Neubau vorzubereiten. Mein kleiner Bruder und ich haben persönlich die Ausschachtung des Fundaments überwacht. Was waren wir überrascht, als wir bei den Fundamenten des alten Hauses plötzlich auf zwei große Krüge stießen. Wir trugen sie in beiden Armen hinein, das Siegel brach, kaum dass wir es berührten, und da drin war alles voll von glänzenden Goldbarren!
Wir kippten sie aus, machten sie sauber und zählten sie auf den Tisch, es waren gut und gerne einhundert Barren. Uns wurde schwindlig, wir waren ganz geblendet und dachten, für den Rest unseres Lebens wären wir alle Sorgen los. Wer hätte ahnen sollen, dass die Wände Ohren hatten. Als die Handwerker mitbekamen, wie wir mit den Krügen in den Armen ins Haus gingen, pressten sie sich an die Außenwand und lugten durch einen Mauerspalt und sahen genau, was vor sich ging.
Die drei Saukerle sahen das Gold und waren gleich Feuer und Flamme. Sie sind schnurstracks zur Gemeindepolizei und haben uns angezeigt. Im Nu war die Polente da, die Polizeiautos ließen sie auf der Hauptstraße stehen, kamen den Pfad herauf und nahmen uns von vier Seiten in die Zange. Wir saßen noch immer alle fünf Kopf an Kopf um das Gold herum und schauten es an, wir waren vor Freude ganz außer Atem und zitterten am ganzen Körper. Von einem kreischenden Geräusch wurden wir aus unseren Träumen gerissen, alles, Tür, Fenster, Dach, war auf einmal hell, wie von den himmlischen Heerscharen, und das Zimmer war voll von Polizei und der Gemeinsamen Verteidigungstruppe, die Gewehre im Anschlag. Da gab es keine Widerrede, wir waren auf frischer Tat ertappt, die Goldbarren wanderten wieder in die Krüge und wurden weggeschafft, wir, das heißt meine Eltern, ich, mein jüngerer Bruder und ein kleiner Neffe, wurden mit einem Seil aneinandergebunden auf die Wache gebracht.
Auf der Wache wurden wir die ganze Nacht verhört, meine Eltern und mein Neffe hatten nicht direkt was mit dem Fall zu tun, sie warteten nur auf einen Bürgen. Mein jüngerer Bruder und ich wurden in das Untersuchungsgefängnis in der Kreisstadt gebracht. Das Verhörpersonal wechselte, wir wurden in drei Schichten in sogenannten Eilverhören vernommen, und man drängte uns, den »Grabraub« zu gestehen. Der Chef-Verhörer, ein Mann namens Bai, hielt uns einen Goldbarren vor die Nase, wir sollten ihn genau anschauen, und da stand doch tatsächlich in millimetergroßen Schriftzeichen eingraviert: »Familie Xi, im sechsten Jahr der Regierungsdevise Tongzhi der Großen Qing«. [110] Als wir das Ganze ausgegraben hatten, waren wir so außer uns, dass das keiner gesehen hat.
Ich rief ständig etwas von Justizirrtum und bestand darauf, dass wir lediglich auf unserem eigenen Grund und Boden etwas ausgegraben hatten.
Der Leiter des Verhörs lachte nur kalt und meinte, das seien eindeutig Gegenstände aus dem Grab des Juren, und das Gold hätte ja wohl kaum Beine bekommen und sei zu uns nach Hause gelaufen?
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