Fräulein Hallo und der Bauernkaiser
die anderen die Bescherung sahen, schlugen sie die Beine übereinander und setzten sich. Ich war aus Gewohnheit schon neben dem Abortkübel und wartete auf eine neue Runde Tortur, aber keiner rührte sich. Sie haben den ganzen Vormittag Trübsal geblasen, es wurde zum Mittagessen gepfiffen, es kam der Mittagsschlaf. Das Seltsame war, dass niemand von den paar Anführern jemanden zum Bedienen rief, sie erkundigten sich sogar bei den Halunken, wie es ihnen geht. Eigentlich war es die Ordnung, dass hier niemand, außer beim Hofgang, eigenmächtig auf den Kübel durfte, und wenn er platzte. Aber als der Chef und der Schläger mir hochhalfen, fragten sie sogar: »Musst du vielleicht?«
Außerdem, wenn wir im Innenhof Essen fassten, mussten eigentlich einige der Gauner ein paar Anführern die Schuhe wechseln, aber der Chef verkündete höflich: »Lasst mal!«
LIAO YIWU:
Hat ein ranghoher Funktionär das Gefängnis inspiziert?
TIAN ZHIGUANG:
Ja. Am Nachmittag gab es eine große Versammlung aller Häftlinge. Genauso groß wie bei der Mobilisierungsversammlung für die Kampagne, wieder saßen oben die Leiter der Öffentlichen Sicherheit, der Staatsanwaltschaft, des Gerichts und des Ministeriums, nur diesmal stand auf dem Transparent quer über ihren Köpfen nicht mehr: »Mobilisierungsversammlung für die Geständnis- und Anzeigekampagne«, sondern »Mobilisierungsversammlung gegen die Tyrannei im Gefängnis«. Als die Hälfte der Reden vorbei war, rief der Gefängnisdirektor: »Führt die Tyrannen vor, die gegen das Strafgesetz verstoßen haben!«
Da wurden insgesamt fünf Leute, mit Ketten an Händen und Füßen, von Kämpfern der bewaffneten Polizei zu Boden gedrückt, man machte ihre Fesseln auf und schnürte sie mit einem langen Seil zusammen. Dieses Hanfseil wurde ziemlich brutal zusammengezurrt, am Ende waren die Hände und Füße nach hinten zu einem Boot gebunden, sie berührten den Boden nur noch mit der Brust. Trotzdem, so blieb man in der Regel nur für zwanzig Minuten, wenn diese Grenze überschritten wurde, blieb man bis an sein Lebensende ein Krüppel.
In Haus 6 war während der Geständniskampagne einer wie ich, den alle nur den »alten Strauchdieb« nannten, zu Tode gepeinigt worden. Er war Leiter einer Autowerkstatt in irgendeiner großen staatlichen Mine gewesen und war in den Knast gekommen, weil der Verdacht auf Handel mit gestohlenen Ersatzteilen bestand. Er wurde von den zuständigen Leuten Tag und Nacht verhört, sie versuchten es auf die weiche, sie versuchten es auf die harte Tour, er hat den Mund nicht aufgemacht, da haben sie ihn den verkommenen Subjekten in seiner Zelle überlassen. Für diese Leute ist ein Menschenleben gar nichts. Zuerst einmal bekam er ein paar »Bärentatzen-Tofu« vor die Brust, da wurde er schon etwas grün im Gesicht. Dann haben sie ihm befohlen, sich platt auf den Boden zu legen, ein Schläger sprang hoch, hielt sich an den anderthalb Mann hohen senkrechten Fensterrippen fest, spannte Körper, Fäuste und Beine an und sprang dem armen Teufel auf dem Boden als »Tausend-Pfund-Bombe« ins Kreuz. Man hörte nur einen einzigen Schmerzensschrei, der Mann war hinüber, das Kreuz war durch und sein ganzer Körper voller violetter Striemen. Die Kerle machten eilig Meldung, und er wurde ins Krankenhaus geschickt, um ihn noch zu retten, aber auf dem Weg spuckte er ein paar große Batzen Blut und starb.
Zwei von den Schlägern lagen gefesselt auf dem Boden, unser Zellenchef war der dritte. Ich habe gehört, dass die Schläger bei der nächsthöheren Instanz Berufung eingelegt haben, von wegen, sie seien vom Zellenchef aufgewiegelt worden und wenn sie nicht zugeschlagen hätten, wären sie selbst zusammengeschlagen worden, aber wenn man dann weiterfragt, dann wird es erst richtig unangenehm, denn wer hat dann den Zellenchef aufgewiegelt? Außerdem, in welchem Gesetz steht geschrieben, dass in so einer Geständnis-Kampagne die Verbrecher die Verbrecher verhören?
LIAO YIWU:
Ich habe mir sagen lassen, dass das eine alte Regelung in den Gefängnissen ist, das kommt noch aus der Qing-Dynastie und hat sich über die Republikzeit bis heute gehalten.
TIAN ZHIGUANG:
Die Knastregeln, die unter den Brüdern weitergegeben werden, kommen nie an die Oberfläche, da können sie noch so alt sein. Deshalb, als ein paar von den Anführern in die Zelle zurückkamen, knieten sie nieder und schlugen bei ihren drei Kotaus Richtung Fenster drei Mal laut mit dem Kopf auf den Boden und bedankten
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