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Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Titel: Fräulein Hallo und der Bauernkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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Leute essen nicht viel, so dass wir ganz gut zurechtkommen.
    LIAO YIWU:
    Wie lange ist es her, dass Ihre jetzige Frau zu Ihnen gekommen ist?
    ZHANG ZHI’EN:
    Fünf oder sechs Jahre. Sie kommt aus dem Dorf Damaidi [22] . Ihre Kinder kümmern sich nicht um sie, da hat ihr jemand vorgeschlagen, hierherzukommen.
    LIAO YIWU:
    Weiß sie denn von der Geschichte mit Xu Meiying?
    ZHANG ZHI’EN:
    Sie hat nie davon gesprochen, ich auch nicht, ich schätze, sie will das gar nicht hören.
    LIAO YIWU:
    Und Sie leben auch ganz ohne »Trauschein« zusammen?
    ZHANG ZHI’EN:
    Ja. An dieser Tür hat sich ein Jahr lang kein menschliches Wesen blicken lassen, aber seit sie da ist, habe ich endlich wieder jemanden zum Reden.
    LIAO YIWU:
    Sie haben nie jemanden eingeladen?
    ZHANG ZHI’EN:
    Ich konnte niemanden einladen, und es kam auch niemand.
    LIAO YIWU:
    Sollen wir vielleicht ein Foto machen?
    ZHANG ZHI’EN:
    Sie haben doch gerade schon eins gemacht.
    LIAO YIWU:
    Denken Sie noch an Xu Meiying?
    ZHANG ZHI’EN LACHT:
    Das liegt wieder am großen Schlangendrachen. Nicht lange nachdem Meiying von uns gegangen war, wurde auch die Frau meines Schwagers vom großen Schlangendrachen befallen. Ihr war nicht mehr zu helfen. Aber mein Schwager hörte, wie der Hexenmeister, der den Drachen einfangen sollte, sagte, man müsse sie mit menschlichem Gehirn füttern – also tappte er mitten in der Nacht zum verlassenen Friedhof, grub einen Toten aus, holte sein Hirn heraus und fütterte seine Frau damit. Als mein Schwager sich dann unter einer Brücke versteckte, hörte er den Schlangendrachen brüllen.
    LIAO YIWU:
    Das Gehirn eines Toten ist doch erst recht voller Viren, selbst wenn man nicht krank ist, dadurch wird man es.
    ZHANG ZHI’EN LACHT:
    Sie haben keine Ahnung!
    LIAO YIWU:
    Ich habe keine Ahnung? Wissen Sie denn, in welchem Jahr der Vorsitzende Mao gestorben ist?
    ZHANG ZHI’EN:
    Als der Vorsitzende Mao starb, war doch die Plenartagung.
    LIAO YIWU:
    Und Deng Xiaoping?
    ZHANG ZHI’EN:
    Deng Xiaoping ist schon tot? Das wusste ich nicht.
    LIAO YIWU:
    Eieiei, auf dem Berg hier scheint wirklich die Zeit stehen geblieben zu sein, jeden Tag nur das Pfeifen und wieder das Pfeifen des Windes.
    ZHANG ZHI’EN:
    Auf der Straße müssen auch Autos vorbei.
    LIAO YIWU:
    Was werden Sie weiter machen?
    ZHANG ZHI’EN:
    Auf den Herrn vertrauen.
    LIAO YIWU:
    Warum das?
    ZHANG ZHI’EN:
    Dank dem Herrn haben wir ein Haus mit Ziegeldach; und dank dem Herrn haben wir den Doktor. Die Leute aus der Kirche zeigen auch keine Abneigung gegen uns, manchmal können wir sogar am Fuß des Berges an einem Gottesdienst teilnehmen. Wir beten täglich zu Gott, dass der große Schlangendrache nicht wiederkommt.
    Ach, Doktor Sun, endlich sind Sie da, ich habe schon seit drei verdammten Monaten so eine Verstopfung, ich kann nicht mehr aufs Klo, Wasserlassen geht auch nicht, niemand aus der Kirche kommt, obwohl ich schon so oft gerufen habe. Was sollen wir tun?
    DOKTOR SUN:
    Ich sage Ihnen, was Sie machen können. Sie waschen einen Goldfaden, das ist eine Heilpflanze, ein Hahnenfußgewächs, schneiden ihn in Stücke, und wenn Sie ihn eine Weile ausgekocht haben, geben Sie Honig dazu; davon trinken Sie mehrmals täglich, bis alles wieder funktioniert.

Fräulein Hallo
    In den letzten Jahren des vergangenen Jahrhunderts bin ich insgesamt drei Mal in ein sogenanntes Pub gegangen, die ersten beiden Male wurde ich von Freunden dazu eingeladen, das letzte Mal machte ich mich alleine auf und geriet in die angesagteste Diskobar in der Nähe der Volksparks. Passenderweise war auch noch der Vorabend von Allerheiligen, Halloween, und das zweite Stockwerk zum Brechen voll. Die Kellner hatten Masken auf und arbeiteten sich durch diese Hundertschaften von Menschen.
    Die Bands auf der Bühne hatten die Emotionen der Anwesenden aufgepeitscht. Dem Himmel sei Dank kam Fräulein Hallo, so dass ich schließlich etwas Vernünftiges zu tun hatte, sonst hätte ich Schwierigkeiten bekommen.
    Zeitungsberichten zufolge gab es in Chengdu die meisten dieser Etablissements, Chengdu bildete die Speerspitze des ganzen Landes, und der neue Mensch war willig, diese im Verhältnis ihrer Bekanntheit aufzusuchen. Gehörte die Zukunft Menschen wie Fräulein Hallo? Nein, womöglich gehörte dieser vor dem Fernseher großgewordenen Generation sogar schon die Gegenwart.
    In diesen Tagen brachte das Zentralfernsehen in der Reihe »Eine halbe Stunde Wirtschaft« gerade eine Sendung mit dem Titel »Forum

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