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Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Titel: Fräulein Hallo und der Bauernkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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sagte, es sei besser für mich.
    LIAO YIWU:
    Aber besser wozu denn?
    ZHANG ZHI’EN:
    Die Verwandten, der Dorfvorsteher sagten es, alle aus dem Dorf sagten es. Und ich, als angeheirateter Mann, hatte nichts zu sagen. Was hätte ich auch sagen sollen? Selbst wenn ich es gekonnt hätte, es wäre im Gegeifer der Massen untergegangen.
    LIAO YIWU:
    Da Sie im Leprakrankenhaus waren, müssten Sie die Symptome einer Lepraerkrankung doch kennen.
    ZHANG ZHI’EN:
    Der große Schlangendrache wollte sie fressen.
    LIAO YIWU:
    Haben ihre Finger und Zehen geeitert?
    ZHANG ZHI’EN:
    Nein.
    LIAO YIWU:
    Sind die Augenbrauen ausgefallen?
    ZHANG ZHI’EN:
    Nein.
    LIAO YIWU:
    Bildete sich am Körper Hautauschlag?
    ZHANG ZHI’EN:
    Nein.
    LIAO YIWU:
    Haben Sie damals noch zusammengewohnt?
    ZHANG ZHI’EN:
    Ja, wir haben noch in einem Haus gewohnt.
    LIAO YIWU:
    Sie hat Sie nicht angesteckt?
    ZHANG ZHI’EN:
    Nein, mir ging es weiterhin gut.
    LIAO YIWU:
    Ihnen ging es weiterhin gut?!
    ZHANG ZHI’EN:
    An dem Morgen kam zuerst mein Schwager mit sechs Leuten, dann der Dorfvorstand und sein Neffe, und schließlich kamen alle anderen Leute aus dem Dorf. Ich wurde aus dem Haus gerufen und abseits festgehalten, während mein Schwager mit ein paar anderen ins Haus ging. Xu Meiying lag schlafend auf einer Holztüre und wurde darauf herausgetragen …
    LIAO YIWU:
    Was haben sie ihr gesagt?
    ZHANG ZHI’EN:
    Es ginge zum Arzt.
    LIAO YIWU:
    Zum Arzt?!
    ZHANG ZHI’EN:
    Ja.
    LIAO YIWU:
    Wie hat sie reagiert?
    ZHANG ZHI’EN:
    Gar nicht, sie hat nur einmal tief Luft geholt.
    LIAO YIWU:
    Hat sie gekämpft?
    Zhang Zhi’en lacht.
    LIAO YIWU:
    Sie hat sich in ihr Schicksal gefügt?
    Zhang Zhi’en lacht.
    LIAO YIWU:
    Ihnen war das egal?
    ZHANG ZHI’EN:
    Ich wurde zurückgehalten, ich konnte nichts sehen. Mein Schwager ging den anderen voraus, sie trugen sie den Berg hinunter und riefen dabei die ganze Zeit »zur Seite, zur Seite«. Wie es üblich ist, brachte jede Familie im Dorf ein Bündel Brennholz, es wurde ein hoher Holzhaufen aufgeschichtet und Xu Meiying mitsamt der Holztür ganz oben auf dem Holzhaufen festgebunden. Danach wurde alles mehrmals mit Dieselöl übergossen, bis von oben bis unten alles triefte, und schließlich wurde Feuer gelegt.
    Mich hielten sie auf Abstand, ich kam nicht ran. Ich musste aus der Ferne zusehen, wie schwarzer Rauch in den Himmel stieg und mit einem Mal die Sonne verdeckte, dann gab es eine zischende Stichflamme. Ich traute mich kaum hinzusehen, stellte mich dann aber doch auf die Zehenspitzen. Das Feuer war eine glitzernde Wand, ich konnte nur ahnen, dass Xu Meiying sich jetzt wie Leder immer weiter einrollte und ihr Gesicht immer dunkler wurde …
    LIAO YIWU:
    Sie wurde bei lebendigem Leib verbrannt, war wirklich überhaupt nichts zu hören?
    ZHANG ZHI’EN:
    Sie war taub und blind, und sie hatte seit einigen Tagen nichts mehr gegessen, sie war gleich benommen.
    LIAO YIWU:
    Selbst eine Ameise würde doch im Feuer hektisch umherrennen.
    ZHANG ZHI’EN:
    Ich habe nichts gesehen, niemand wollte mich etwas sehen lassen. Als Xu Meiying schon halb ohnmächtig war, wachte sie kurz auf und ist dann innerhalb von Sekunden gestorben. Das Feuer tobte wie verrückt, noch in einer Entfernung von über zehn Metern war es so heiß, dass es den Leuten ins Fleisch biss. Zu Anfang waren alle noch ganz nah am Feuer, als sich aber das Feuer immer weiter ausdehnte, wichen alle Schritt um Schritt zurück. Nachdem es eine Weile gebrannt hatte, brach der Holzstapel zusammen und Xu Meiying fiel im Rauch mit hinein. Sie war jetzt von einem Bündel Brennholz kaum noch zu unterscheiden.
    Da schleuderten einige die Stangen in ihren Händen ins Feuer …
    LIAO YIWU:
    Schürhaken fürs Feuer?
    ZHANG ZHI’EN:
    Schürhaken für Menschen. Die jüngeren Leute aus dem Dorf hatten alle Stangen dabei und passten ganz nah am Feuer auf Xu Meiying auf. Wäre sie plötzlich herausgelaufen, sie hätten mit den Stangen auf sie eingeschlagen.
    LIAO YIWU:
    Das ist ja skrupellos.
    ZHANG ZHI’EN:
    Wer, meinen Sie, ist skrupellos?
    LIAO YIWU:
    Diese Leute, die Ihre Frau umgebracht haben.
    ZHANG ZHI’EN:
    Alle hatten Angst vor der Lepra.
    LIAO YIWU:
    Sind Sie so abgestumpt?
    ZHANG ZHI’EN:
    Mir bleibt doch nichts anders übrig.
    LIAO YIWU:
    Hat es eine Stunde lang gebrannt?
    ZHANG ZHI’EN:
    Zwei Stunden. So dünn Xu Meiying war, sie brannte lange.
    LIAO YIWU:
    Haben Sie geweint?
    ZHANG ZHI’EN:
    Nein.
    LIAO YIWU:
    Waren Sie nicht traurig?
    ZHANG

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