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Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Titel: Fräulein Hallo und der Bauernkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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für buddhistische Studien (es wurde auch Buddhismus-Institut Sichuan genannt) ein. Im neunzehnten Jahr der Republik, also 1930 , machte ich meinen Abschluss, ich ging in den Baoguang-Tempel von Xindu, mein Lehrer und die Lehrer meines Lehrers waren alle dort gewesen. Und noch später habe ich im Strohhütten-Tempel und im Tempel zum Klaren Erwachen weiter das Dharma studiert. Ich war von morgens bis abends mit einer Menge gebildeter und tugendhafter Mönche zusammen, das hat mich sehr geprägt und nach und nach wurden mir die Augen aufgetan, und mein Herz wurde hell.
    Im Jahr 33 der Republik, also 1944 , war meine Wanderschaft beendet, ich kehrte in den alten Tempel zurück und war zuständig für die Bewirtung und den Empfang von Gästen. In den Jahren nach dem Sieg im antijapanischen Widerstandskrieg stieg ich zum Leiter auf, bis zur Befreiung.
    LIAO YIWU:
    Ihr seid so alt wie das Jahrhundert. Wenn man das Jahr 1949 als Trennungslinie nimmt, dann wurde Euer Leben mehr oder weniger in zwei Hälften zerschnitten. Und die erste Hälfte Eures Lebens fertigt Ihr mit diesen wenigen dürren Sätzen ab?
    DENG KUAN:
    Von hundert Jahren her gesehen sind ein paar Worte genug. Sonst sitzen wir in drei Tagen noch hier, und ich werde immer noch nicht alles gesagt haben. Ein Meister genügt, um ein Buch zu schreiben, ich habe mein Leben lang davon profitiert, dass ich ein paar Dutzend Lehrer hatte, ich habe kein Buch hinbekommen, ich habe auch nichts zu sagen.
    LIAO YIWU:
    Entschuldigt mein vorlautes Mundwerk! Redet einfach, wie Ihr mögt, Meister.
    DENG KUAN:
    1950 war die Befreiung, und dann ging es los mit der Bodenreform. Eines Tages drangen Arbeitsgruppen und arme und mittlere Bauern plötzlich in den Tempel ein und veranstalteten eine Massenversammlung. Mich hat man vor die Leute gezerrt und mich zum Tempel-Großgrundbesitzer gestempelt und zu den Vier Elementen geschlagen. Ich musste eine Kampfkritik über mich ergehen lassen. Sie haben mir die Kasaya, die Mönchskutte, heruntergerissen, einer nach dem anderen stiegen sie auf das Podest und haben meine Verbrechen enthüllt. Feudalistischen Aberglauben warfen sie mir vor und zu ernten, ohne zu arbeiten, und darüber hinaus noch jede Menge Probleme in meinem Lebenslauf aus der Zeit der Herrschaft der Guomindang. Der Leiter der Arbeitsgruppe machte gelegentlich einen Einwurf und kritisierte mich von einem höheren Standpunkt und vom zwei Linien-Kampf aus. Die Emotionen der Massen schlugen immer höher, und ihr Parolengeschrei war markerschütternd. Der Volkszorn war nur zu bändigen, so jedenfalls schien es, wenn sie mich, diesen Faster und Sutrenleser, umbrachten.
    Ein paar Dutzend Brüder aus dem Tempel wurden meinetwegen in Mitleidenschaft gezogen, es wurde proklamiert, sie seien Grundbesitzer, sie wurden vorgeführt und es gab einen Nebenkampf. Später wurde aus der Kritik- eine Kampfversammlung. Ein paar hundert arme und mittlere Bauern ergriffen dröhnend ein paar Dutzend Mönche, sie wurden angespuckt, man versetzte ihnen Ohrfeigen. Ich wurde von Volksmilizionären gefesselt und bis tief in die Nacht gefoltert. Nach der damaligen Politik wurde sämtlicher Besitz des Tempels konfisziert und verstaatlicht (einschließlich des Tempels selbst und der fast tausend Mu [47] an Urwald und der paar hundert Mu Land, das ihn umgab).
    LIAO YIWU:
    Tempel-Großgrundbesitzer? Das höre ich zum ersten Mal.
    DENG KUAN:
    Ich hatte damals auch keine Ahnung. Für Bekehrte ist doch alles eitel, weltliche Angelegenheiten wie der Wechsel der Dynastien gingen uns nichts an. Außerdem gab es auf dem Hochplateau im Westen von Sichuan über hunderte buddhistische Tempel, sie wurden von Generation zu Generation weitergegeben, kein Abt oder Mönch hätte einen Tempel jemals für sein persönliches Eigentum gehalten.
    LIAO YIWU:
    Ja, ein Mönch hat ja keinen persönlichen Besitz. Wieso dann Großgrundbesitzer?
    DENG KUAN:
    Dieser Alte Chan-Tempel wurde in der Sui-Dynastie gegründet, auf Erlass des Kaisers Sui Wendi wurden sechsunddreißig buddhistische Nonnenklöster belehnt, und der Tempel der Beständigen Freude (so hieß der Alte Tempel damals) wurde zum Haupttempel gemacht, dabei müssen wir in Dimensionen von über tausend Mönchen denken. Nach vielen Wechselfällen wurde er schließlich in der Ming-Dynastie von deren Gründer Zhu Yuanzhang und dessen Sohn Zhu Di ganz offiziell mit dem Titel »Chan-Kloster Guangyan« belehnt. Wenn man die sechshundert Jahre von Mönch Wu Kong, dem jüngsten

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