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Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Titel: Fräulein Hallo und der Bauernkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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verbrachte zwanzig Jahre hinter Gittern. Als er 1973 entlassen wurde, war er bereits dreiundsiebzig Jahre alt. Meister Wei Xian, der Abt des Tempels der Wolke der Barmherzigkeit am Löwenberg in Chongqing wurde 1954 wegen der Errichtung eines Instituts für Buddhismusstudien unschuldig ins Gefängnis geworfen, wo er fast siebenundzwanzig Jahr saß. Meister Pu Yun vom Tempel zur Ewigen Weisheit im Kreis Chongqing wurde während der Bodenreform aus dem Kloster verjagt, und 1957 hat man ihn auch noch zum Rechtsabweichler gestempelt. Nach einundzwanzig Jahren hat er wieder das Mönchsornat anlegen können … Während so die Äbte und gebildeten Mönche »im Staub der Welt« versanken, haben fast alle Mönche die Klöster verlassen und sind in den Laienstand zurückgekehrt, wo sie trotzdem in verschiedenem Ausmaß diskriminiert wurden.
    DENG KUAN:
    Das ist schlechtes Karma. Von 1950 bis zum Vorabend der neuen Religionspolitik 1978 war das zeitlich längste schlechte Karma in der Geschichte Chinas, insgesamt achtundzwanzig Jahre, in denen es im Tempel nicht einen einzigen regulären Mönch gegeben hat.
    LIAO YIWU:
    Aber die Gesellschaft für Buddhismus hat noch existiert.
    DENG KUAN:
    Mönche wurden von den Produktionsbrigaden verwaltet, nicht von der Gesellschaft für Buddhismus. Die Mönche verloren ihr Ansehen völlig und gingen weg, Bauern zogen in die Klöster ein, die Wege der Welt wurden auf den Kopf gestellt. Und mit dem Stahlschmelzen während des Großen Sprungs 1958 durfte niemand mehr ein privates Geschäft betreiben, ob es nun Mönche waren oder Bauern. Volksküchen wurden eingerichtet, auf halber Höhe des Berges, im Palisadendorf »Pflaumenblüte«. Dort ging die gesamte Produktionsbrigade zum Essen. Nach dem Essen stieg man auf den Berg, um Erz zu graben. Ich ergab mich in mein Schicksal und meldete mich freiwillig. Der Leiter der Produktionsbrigade hat dann mir und einem guten Dutzend anderer Mönche erlaubt, bei der Stahlschmelzaktion mitzumachen. Seit den alten Tagen war auf dem Phönixnestberg nie Eisen produziert worden, deshalb wussten die Leute hier es auch nicht zu erkennen. Ein rundreisender Techniker wurde hergeschickt, er zeigte uns, an welchen Merkmalen man die Lagerstätten von Kohle erkennt, und verschaffte uns damit ein wenig Luft. Die Kommunemitglieder krochen auf Händen und Knien den Berg hoch und sammelten wahllos schwere schwarze Steine, die sie in die Ofenkammern steckten. In den Schmelzofen wurde alles hineingestopft, was die Haushalte hergaben: Töpfe, Schaufeln, Kellen, Wannen, Schlösser, Ringe. Nun hat aber ein Mönch keinen Haushalt. Um also nicht zu den rückständigen Elementen zu gehören, liefen wir mit der Nase in der Luft herum wie die Hunde, beschnüffelten die Weihrauchkessel im Tempel, die Gefäße, in denen das Totengeld verbrannt wird, die Glocken, die Qing [49] , die Schlösser, die Einfassungen der Altartische, die alte Bronze an den Ecken der geschwungenen Flügeldächer; kurz, alles, was Metall auch nur ahnen ließ, wurde herausgestemmt, abmontiert, zerschlagen und zum Schmelzen in den Ofen gesteckt. Die Holzkohle glühte heftig für ein paar Tage und Nächte, heraus kamen am Ende ein paar absonderliche Brocken.
    LIAO YIWU:
    Was für Brocken?
    DENG KUAN:
    Die sahen ein wenig aus wie Wespennester, an denen massenhaft Steine kleben. Wenn man mit den Hammer dagegen schlug, wenn sie erstarrt und abgekühlt waren, zerfielen sie komplett zu schwarzer Schlacke. Alle hatten sich jede erdenkliche Mühe gegeben, sie waren wie besoffen. Und ich, ich wurde von einem Milizionär eskortiert, schleppte Steine, schleppte Holzkohle, ließ den Blasebalg schnaufen und tat widerspruchslos, was die Partei befahl. Meine Lehrer waren von klein auf sehr streng mit mir gewesen, man musste stehen wie eine Kiefer, sitzen wie eine Glocke, und es gab Kinderübungen zur Festigung des Körpers, nur deshalb habe ich das alles durchstehen können. Wenn die anderen vor Erschöpfung und Hunger schlapp machten, war ich noch in der Lage, mich mit einem schnellen Ausfallschritt neben dem hohen Schmelzofen zu halten und den Blasebalg zu bedienen.
    LIAO YIWU:
    Damals wart Ihr schon an die Sechzig?
    DENG KUAN:
    Aber die Zwanzig-, Dreißigjährigen konnten nicht mit mir mithalten, die Kommunemitglieder hatten mir insgeheim einen Spitznamen verliehen, sie nannten mich einen »stählernen Krieger«.
    LIAO YIWU:
    Das heißt also, Ihr hattet Euch bereits auf die große revolutionäre Situation eingestellt und

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