Fräulein Hallo und der Bauernkaiser
vergessen, dass er ein ganz ungewöhnlicher Mönch war, dem man viele Jahre Unrecht getan hatte und der fast ohne Hoffnung gewesen war.
In seinem Haustempel verehrte er ein Bild von Deng Xiaoping, er sagte, ohne Deng Xiaoping wäre der Weihrauch im alten Tempel längst ausgegangen. Ich äußerte eine abweichende Ansicht, zu der er ebenfalls nickte: »Das Dharma ist im Herzen, du hast nicht unrecht.« Wie viele Mönche das tun, warb er daraufhin für das Ansammeln von Tugend und guten Taten: »Ehre Vater und Mutter, respektiere Lehrer und Meister, lebe in Eintracht mit den Prinzipien der Erde«, sagte er. »Und bewahre alle Kreatur! Wenn zum Beispiel eine Mücke dein Blut saugen will, dann lass sie sich satt trinken! Auf keinen Fall darfst du Mäuse erschlagen, Mäuse sind Glücksbringer, wenn eine Maus ein wenig von deinen Sachen essen oder trinken will, dann stell ihr ein Schälchen hin und füttere sie. Ha, mir sind sie wie oft unter die Decke und haben an mein Kinn gekuschelt geschlafen, wenn ihnen kalt war, wenn ihnen Zuwendung fehlte, sie waren meine Kinder. Einmal hat so ein Lausebengel meine Gebetsschnur, die ich so viele Jahre benutzt habe, weggeschleppt, da habe ich ihm einen Schrecken eingejagt und gesagt: ›Mausekind, Mausekind, eine Gebetsschnur kann man doch nicht essen, warum also hast du sie gemaust? Wenn du sie nicht zurückbringst, dann gebe ich dir Rattengift.‹ Als die Maus in ihrem Bau das hörte, legte sie die Gebetsschnur auf der Stelle neben meinen Fuß.«
Ich konnte mir das Lachen kaum verkneifen. Und als es Zeit war, die Hände zum Gebet zusammenzulegen, machten wir eine Zeit für das nächste Gespräch fest. Mir war klar, die Erlebnisse eines Hundertjährigen konnten nur allzuschnell verloren gehen …
***
DENG KUAN:
Woher kommst du Wohltäter?
LIAO YIWU:
Aus Chengdu. Der Fotograf hier ist aus Frankreich.
DENG KUAN:
Hm.
LIAO YIWU:
Ich war schon fünf Mal im alten Tempel …
DENG KUAN:
Hm.
LIAO YIWU:
Es wurde schon dunkel, und die Tore des Tempels würden bald geschlossen werden, als ich sagte: »Heute bekommen wir den alten Mönch Deng Kuan nicht mehr zu Gesicht …«
DENG KUAN:
Hm.
LIAO YIWU:
Da tauchte Euer Neffe Chen Quan auf …
DENG KUAN:
Hm.
LIAO YIWU:
Ihr seht gut aus …
DENG KUAN:
Hm. In Chengdu war ich. Zwei Monate. Im Krankenhaus in der Frühlingsstraße. Ich bin gerade erst zurückgekommen. Egal was für eine Krankheit, wenn man alt wird, tut die leibliche Hülle nicht mehr, was sie soll. Die Prostata war zu groß, sie drückte den Harnleiter ab, da konnte ich kein Wasser mehr lassen.
LIAO YIWU:
Und jetzt? Wieder alles normal?
DENG KUAN:
Da unten habe ich einen Katheder. In einer Weile, wenn ich wieder besser beieinander bin, muss ich noch einmal unters Messer.
LIAO YIWU:
Und wie ist es mit Essen und Trinken?
DENG KUAN:
Hin und wieder ist mir ein wenig danach, aber nur flüssige Nahrung, Reisbrei, Hühnersuppe, Fischsuppe, Gemüsesuppe, Saft, Milch, manchmal an die acht Mahlzeiten am Tag, ich nuckele die Milch wie ein Baby, außerdem habe ich noch eine Infusionsflasche.
LIAO YIWU:
Wie ein Baby? Wie heißt es so schön: Im Alter wird man wieder klein.
DENG KUAN:
Amitofu! Zur Zeit bin ich nicht gut zu Fuß. Wenn ich nicht auf dem Bett liege, dann sitze ich hier, bete die Gebetsschnur zu Buddha und denke an mein Leben. Manchmal bin ich ganz klar im Kopf, manchmal geht alles durcheinander, manchmal weiß ich gar nicht, wo ich bin und welche Zeit wir haben. Und wer neben mir ist. Oh, mein Name ist Deng Kuan, ich bin in der Qing-Dynastie geboren, in der Guangxu-Ära, nach dem allgemeinen Kalender im Jahr 1900 . Mein bürgerlicher Name ist Chen Mianrong, mit sieben habe ich mich zum Buddhismus bekehrt und bin in den alten Tempel hinauf. Mein Lehrer war der ehrwürdige Meister Zu Run, ein nah und fern berühmter Mönch von großer Tugend. Er hat mich nicht nur in die Lehre Buddhas eingeführt, er hat auch »Blühende Talente«, wie man damals die Absolventen der kaiserlichen Prüfungen auf Kreisebene nannte, eingeladen, um den jungen buddhistischen Novizen Lesen und Schreiben beizubringen. Nach ein paar Jahren hatte er damit meiner Bildung ein solides Fundament gelegt.
Im siebzehnten Jahr der Republik, also, lass mich rechnen, im Jahr 1928 , ließ mich der Meister über hundert Meilen wandern, um im Manjusri-Kloster von Chengdu die Initiationsriten abzulegen. Danach trat ich als Student in das von dem Mönch Chan Anda geleitete Kongling-Institut
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