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Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Titel: Fräulein Hallo und der Bauernkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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und rollte über den Boden. Männer, Frauen, Alte und Kinder waren extrem aufgedreht, so wie man sie heute an irgendwelchen Unterhaltungsprogrammen im Fernsehen teilnehmen sieht.
    In der Folgezeit erreichten die Bekämpfungen, die Kritik und die Umerziehung ihren Höhepunkt, die Fertigkeiten im Prügeln erreichten einen gewissen Reifegrad, öffentlich auf einer Bühne bekämpft zu werden, war gar nichts mehr, am meisten fürchtete man, wenn einer nach dem anderen in einen Raum befohlen wurde. Die Leute warteten kampfbereit, eine fünf Finger breite Holzbank stand in der Mitte, kaum warst du drin, musstest du da rauf und den »Düsenflieger« machen. Manche warteten schon darauf, dir von der Seite gegen die herausschauenden Rippen blitzartige Hiebe zu versetzen. Mit einem Rums fiel man vornüber, einen halben Tag bekam man keine Atempause, der Kopf produzierte metallische Klänge, und Tränen flossen in Strömen wie der Schweiß. Manchmal sprang auch einer hoch und schlug einem ins Genick, durchbohrte von beiden Seiten die Ohren, schlug einem mit Knüppeln in die Lendengegend, trat einem in die Kniekehlen, das waren alles Sachen aus den Ritterromanen; dann gab es noch das Knien auf dem Nagelbrett, Schläge auf den Hintern, An-den-Ohren-Ziehen und Naseauskratzen … Chinesen sind in der Tat erfinderisch, meine Zähne habe ich mir ausgeschlagen, als ich beim »Friss Scheiße, Hund!« zu Boden ging, sie hätten mich fast taub gebrüllt.
    Eines Nachts, es war elf Uhr, ich war gerade eingeschlafen, als jemand brüllte, ich solle aufstehen. Es war sehr still. Als ich hinauskam, wurden mir die Augen mit einem schwarzen Tuch verdeckt, mir wurden die Hände mit einem Hanfseil gefesselt, und man steckte mir ein Taschentuch in den Mund. Wie bei einer Entführung wurde ich vorwärts gestoßen. Ich spürte, dass ich den Hof überquerte und auf freiem Feld in einem großen Kreis geführt wurde. Plötzlich wurde ich in ein großes Loch getreten, das wohl etwas über zwei Meter tief sein mochte, ich steckte mit beiden Beinen im aufgeworfenen Dreck. Ich dachte, die wollen mich lebendig begraben, rannte gegen die Ränder des Lochs und verfiel am Ende in ein verzweifeltes Jammern. Nach einer Weile hörte ich, wie sie von oben auf mich herunterpissten. Dann wurde ich hochgezerrt, ich hatte einen ganz trockenen Mund und fühlte mich, als hätte ich das Herz voller Dreck.
    Ich wurde noch einmal im Kreis herumgeführt und fühlte, dass ich zurückgebracht wurde, wo man mich in einen kleinen Schuppen im Hinterhof führte. Hier war schon Raum geschaffen worden für ein provisorisches Folter- und Verhörzimmer. Dort wurde ich gegen die Wand gelehnt, man nahm mir das Taschentuch aus dem Mund, jemand stützte sich mit der linken Hand an der Wand ab, legte die Rechte auf meinen Hinterkopf und presste mein Gesicht gegen die Wand. Ein heftiger Schmerz in der Nase, und sie barst wie ein Tischtennisball. Eine Stimme (wie ich hörte, war es Zhao Baoqin aus meinem Ensemble) sagte: »Den kleinen Koffer aus dem Materialzimmer, hast du den gestohlen?«
    Ich entspannte mich innerlich, denn damit hatte ich nichts zu tun. Ich antwortete: »Ich habe nichts gestohlen.« Da wurde mir die Hose heruntergezogen, die Peitsche sauste auf meine Pobacken nieder, ein Schmerz, der mir durch Mark und Bein ging. Unterhalb meiner Hüften war alles voller Blut! Nach den Geräuschen zu urteilen, schwang da Liu Shenxian die Peitsche, der hatte einmal bei der Garnisonstruppe des Regierungsbezirks Zhongnanhai die Trompete gespielt. Aufgrund seiner politischen Herkunft war er überhart und hat während der Kulturrevolution eine ganze Menge von Menschen ausgepeitscht.
    Nach einer Folter von über zwei Stunden wurde ich zurückgebracht. Erst da erfuhr ich, dass die neben mir liegenden Ni Yunxiang und Hao Ruifeng ebenfalls geschlagen worden waren. Früh ging es raus zur Arbeit, die Hose klebte so an mir, dass ich sie nicht wechseln konnte, also rannte ich in das Büro der Propagandabrigade und zitierte lauthals Maos rotes Buch: »Wir brauchen Kulturkampf, keinen Kampf der Waffen!« Damit dokumentierte ich meinen Widerstand.
    LIAO YIWU:
    An Flucht haben Sie nicht gedacht?
    WANG XILIN:
    Ich habe viele Jahre daran gedacht. Das Yanhui-Gebiet ist im Sommer tagsüber heiß wie ein Backofen und nachts kalt wie ein Messer, die revolutionären Massen fuhren in Pferdewagen, aber wir Rinderteufel und Schlangengeister mussten laufen, die schwarzen Schilder auf dem Rücken, dazu die Instrumente

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