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Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Titel: Fräulein Hallo und der Bauernkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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eine echte Pioniertat!
    LIAO YIWU:
    Diese Methode der Symphonie ist wie im Gefängnis, ein Glied greift in das nächste, wie bei einem Eisenfass, kein Fisch entgeht dem Netz.
    WANG XILIN:
    Auf diese Weise habe ich mich selbst zu einem stinkenden Element gemacht, alles war gepflastert mit großen Wandzeitungen, die mich beschimpften. Auch meine berühmten »drei Ängste« wurden hervorgekramt, und nur gegen meine eigenen hartnäckigsten Widerstände sah ich ein, dass man sich auf die Partei nicht verlassen konnte und dass ihre Politik keinen Ausweg bot.
    Ich wurde noch einmal aufs Land geschickt, wo ich Kessel heizte und zur körperlichen Arbeit gezwungen wurde – damit trieb der politische Höllenfürst die Wucherzinsen bei seinen Schuldnern ein. 1968 wurden die Klassenränge gesäubert, man tauchte tief in Kampf, in Kritik und in Umerziehung ein, die aus Arbeitern zusammengestellten Propagandateams für die Mao Zedong-Ideen nahmen ihren Einzug in die Arbeitsgruppe Kultur, ich wurde mit den Parteigängern des Kapitalismus gefasst, bekämpft, in einen kleinen Schuppen geworfen, wo die Fenster zugenagelt waren und wir auf dem Boden schliefen. Früher war das ein japanisches Lager gewesen, jetzt wurden hier die Rinderteufel und Schlangengeister der ganzen Gegend zusammengezogen und eingesperrt.
    Später dann war ich an vielen verschiedenen Orten eingesperrt. Ich zahlte blutiges Lehrgeld und habe meine Fehler rasch eingesehen und korrigiert. Ich stellte mich vor das Volk und weigerte mich, irgendein Problem einzugestehen. Ob zehntausend Menschen auf einer Versammlung waren, ob ich das »Düsenflugzeug« machte oder mir heimlich geholfen wurde, ich schulterte alles, knallhart, und stieß sogar das Material meiner früheren Geständnisse um.
    Im Unterricht der Klassenbereinigungsgruppen, wo man versuchte, »die Seele über den Körper zu erreichen«, waren Prügel an der Tagesordnung. Zwei meiner Leidensgenossen konnten die Qualen nicht mehr ertragen und nahmen sich das Leben. »Düsenflugzeug« bedeutete, dass man beide Arme nach hinten in die Luft reckte und sich dabei nicht ganz neunzig Grad nach vorne beugte, dabei stand man, mit einem schwarzen Schild um den Hals, auf ebener Erde oder auf einer Bank. Im Ensemble gab es einen Cao Yuzhu, eigentlich ein »roter Trieb mit guter Wurzel«, der im privaten Kreis über den stellvertretenden Vorsitzenden Lin Biao bemerkt hatte, dass sein »häufiges Niesen nicht von guter Gesundheit zeuge«. Er wurde von seinen Schülern entlarvt und mit konterrevolutionären Umtrieben in Zusammenhang gebracht. Der gute Cao war Ausbilder für Bühnenbeleuchtung, er hatte öfters aus der Not eine Tugend gemacht und alte Teekannen, Aluminiumtöpfe oder anderen Schrott über den Glühbirnen angebracht, um das Bühnenbild auszuleuchten. Als er bekämpft wurde, hing er von Kopf bis Fuß voll von derartigen kleinen, klappernden Erfindungen. Als man in den Städten die großen und kleinen Kampfversammlungen über hatte, wurden die Rinderteufel und Schlangengeister in einer Reihe aneinandergebunden und folgten dem Ensemble in einige Kreise in der Nähe, wo ein gutes Dutzend Produktionsbrigaden auf Tour waren, »um das Theater auf das Land zu bringen«. Wenn die Bühne fertig war, wurden wir mit einigen lokalen schlechten Elementen, Konterrevolutionären, Reichen und Grundbesitzern gemeinsam bekämpft. Erst wurde aus dem roten Büchlein von Mao zitiert, der Abschnitt »Was du nicht schlägst, das geht nicht zu Boden«, danach wurden Parolen gebrüllt wie »Senk den Kopf und gesteh«, und dann machte eine unübersehbare Menge von »Schurken« vor der Bühne den »Düsenflieger«. Bis auf der Bühne das revolutionäre Programm zu Ende war, brach uns fast das Kreuz.
    Tagsüber hasteten wir von Ort zu Ort und gingen aufs Feld, wenn es einem einfiel, uns zu bekämpfen, wurde ansonsten, wo wir auch gerade waren, gebrüllt: »Vorführen!«
    Es kam vor, dass wir bis abends noch keinen geeigneten Ort gefunden hatten, dann suchten wir einen großen Raum, der voller Menschen war, zu deren Füßen ich mich kauern musste, um meine »drei Ängste« zu bekennen. Ich hatte schon hunderte von Geständnissen abgelegt, ich war längst für alle Zeiten mit Schimpf und Schande bedeckt, aber alle konnten es nicht erwarten, dass ich den Mund aufmachte, wo dann Füße und Fäuste gleichermaßen auf mich niedergingen. Außerdem flog mir dicker Rotz entgegen, es gab Ohrfeigen, ich sah zu, dass ich Kopf und Hüften schützte

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