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Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Fräulein Hallo und der Bauernkaiser

Titel: Fräulein Hallo und der Bauernkaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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Klassen und Jahrgänge machten auf Versammlungen gegen rechts mobil, in der Organisation wurden jedem Institut heimlich Quoten für rechte Professoren und Studenten übermittelt, die dann von allen gemeinsam in öffentlicher Diskussion erfüllt werden mussten. Bei dieser Wahl bekam Wen Xin im Institut die drittmeisten Stimmen. Der stellvertretende Sekretär des Parteikomitees war persönlich anwesend, um die Konferenz zur Kritik an den Rechtsabweichlern vor Ort zu leiten. Meine Wurzeln waren rot, ich war Gegenstand einer schwerpunktmäßigen Erziehung gewesen, also attackierte der stellvertretende Sekretär des Parteikomitees die Verleumdungen, die in Bezug auf mich im Umlauf waren, um den Leuten das Maul zu stopfen – schließlich gab er in aller Öffentlichkeit folgenden Unsinn von sich: »Genosse Feng Zhongci wurde von der Parteiorganisation mit dem Auftrag betraut, mit der rechten Studentin Wen Xin in Kontakt zu treten, um die Schlange aus ihrem Bau zu locken. Er hat das sehr gut getan, er hat sich der Anweisung des Vorsitzenden Mao, ›die Schlangen aus ihren Löchern zu locken‹, würdig erwiesen. Er ließ keinen Ton verlauten, aber er lockte die schöne weibliche Schlange, deren Hass auf das neue China tief in ihrem Herzen eingegraben ist, heraus und entlarvte sie! Die Strategie seines Kampfes war exzellent! Deshalb wurde nach gründlicher Untersuchung des Sachverhaltes durch das Parteikomitee und das Komitee der Jugendliga ein Bericht an das Provinzkomitee der Kommunistischen Jugendliga mit der Bitte vorbereitet, ihm den ruhmvollen Titel ›herausragender Kader der Kommunistischen Jugendliga‹ zu verleihen.«
    Ich war außer mir, alles drehte sich! Wen Xin ging es noch schlimmer, mit einem Aufschrei fuhr sie hoch und heftete ihren Blick auf mich, ihr Gesicht war aschfahl, dann brach sie zusammen. Ich achtete nicht darauf, wie alle uns anstarrten, sondern sprang ihr zur Seite, nahm sie in den Arm und lief mit ihr zum Universitätskrankenhaus. Der stellvertretende Sekretär war verdutzt, doch dann tönte er, es war richtig unanständig, weiter: »Auch wenn es sich bei ihr um einen Klassenfeind handelt, so muss auch für sie der Humanismus der Revolution gelten, Feng Zhongci hat richtig gehandelt!«
    War ich noch ein Mensch? Wenn ich gegen mein Gewissen gehandelt hätte und die von der Organisation für mich errichtete Leiter brav hochgeklettert wäre, hätte ich in meinem Leben vielleicht sehr weit kommen können, aber so ein Schwein wollte ich nicht sein! Nein, nicht in so einer schmutzigen Zeit, wo es besser war, ein Schwein zu sein als ein Mensch! Ich wagte nicht zu warten, bis Wen Xin wieder zu sich kam, und verließ das Krankenhaus mit einem geistesabwesenden Gesichtsausdruck. Leute vom Ligakomitee suchten mich auf, sie wollten eine Versammlung einberufen, um die Sache mit den Rechtsabweichlern einer erneuten, vollständigen Überprüfung zu unterziehen und das Resultat nach oben zu melden.
    Ohne zu überlegen, weigerte ich mich, meine Unterschrift und meinen Stempel unter einen Bericht zu setzen, der die Verfolgung von Wen Xin zum Inhalt hatte. Zuerst war es der stellvertretende Parteikomiteesekretär, danach der Sekretär des Parteikomitees und der Präsident der Universität, die sich beeilten, mir meine Arbeit abzunehmen und von mir die Herausgabe des offiziellen Stempels der Jugendliga verlangten. Es war kindisch, aber mit mir gingen die Pferde durch. Der Parteikomiteesekretär warnte mich: »Genosse Feng Zhongci, die Jugendliga ist nicht Ihr persönliches Eigentum, die Partei hat Sie so lange ausgebildet, Sie müssten ihre Prinzipien eigentlich kennen.« Ich antwortete mit einer Frage: »Wann bin ich mit dem Auftrag betraut worden, die Schlange aus ihrem Loch zu locken? Die Kommunistische Partei ist edel und ehrlich, die arbeitet nicht mit Tricks und Intrigen.«
    Der Parteikomiteesekretär daraufhin: »Nicht gegenüber dem Volk.« Ich sagte: »Wen Xin ist ein Teil des Volkes, sie hat bereits ihre Familie verraten.« Der Parteikomiteesekretär sagte: »Du hast sie auf einem Besuch bei der Nebenfrau ihres Vaters begleitet, wir haben diese Sache schon längst in die Hand genommen.« Ich war zu verblüfft, um es nicht zu zeigen, und erwiderte: »Die Nebenfrau ihres Vaters? Die ist verrückt.« Darauf sagte der Sekretär lachend: »Dann hast du dich bei ihr wohl ein wenig angesteckt, dass du wegen eines Mädchens selbst die Prinzipien der Organisation nicht mehr wahrhaben willst.« Da war mir alles

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