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Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Titel: Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Jacobs
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Schweiz bekommen hatte.
    Die Worte aus meiner Heimat machten mich schrecklich sehnsüchtig, und ich realisierte, wenn ich meine Buchstaben nach und nach in die Tastatur eingab, welche Idylle und welches Paradies ich zurückgelassen hatte. Ich stellte mir vor, wie meine Familie beim Abendbrot zusammensaß und ich fehlte.
    Es war mein innigster Wunsch gewesen, dieser Welt zu entkommen, aber ich hatte die Macht des Heimwehs unterschätzt.

2
    Di e Schule sorgte für Ablenkung. Mein Tag begann morgens um 6.30 Uhr. Dann nämlich läutete Mariannes Wecker, weil sie die Erste in der Dusche sein wollte und fünfundvierzig Minuten brauchte, um sich zu schminken und anzukleiden. Ich hätte bis sieben geschlafen, doch stand am Ende auch immer früher auf. Mit Handtuch, Seife, Creme, Zahnbürste und Zahnpaste verließ ich unser Zimmer. Marianne kam mir aus der Dusche entgegen. Unsere Wege kreuzten sich auf dem Gang. Sie roch nach einem Kräutershampoo, das sie immer benutzte, die nassen Fäden ihrer blondierten Haare hingen wie Eiszapfen auf ihren fülligen Schultern. Ich ging weiter. Auf Ingrid, die in dem Einzelzimmer rechts neben uns wohnte, traf ich oft erst am Nachmittag. Morgens sah ich sie nie. Nicoles Tür war noch geschlossen, kein Laut. Sie bewohnte das Einzelzimmer links an dem Flur und schlief immer sehr lange. Sie war auch eine Freundin von Jesse und legte viel Wert darauf, dass sie in der Nähe von New York aufgewachsen war. Ich glaube, sie hätte viel lieber in New York gelebt. Sie achtete sehr auf die Pflege ihrer braunen Korkenzieherlocken. Ich sah sie sehr oft mit einem um den Kopf gewickelten Handtuch im Vorraum zum Bad vor der Waschmaschine und dem Trockner stehen. Sie kaute ihre Fingernägel und war ein Folkrock- und Rock-’n’-Roll-Fan. Die Wände ihres Zimmers waren beklebt mit Postern von Bob Dylan, The Doors und Steppenwolf. Eigentlich war Nicole auch eine Einzelgängerin, aber eine, die sich wunderbar integrieren konnte. Im Winter waren wir zusammen im Snowboard-Team und lernten uns besser kennen.
    Ich schlurfte weiter. Amanda, die ihr Einzelzimmer am Ende des Flurs hatte, war meist wach, wenn ich duschte. Aus ihrem Zimmer drang morgens schon Musik. Sie war der Überzeugung, sie könnte Model werden, weil sie eine so hohe Stirn hatte. Sie redete sehr viel, wenn es gar nicht nötig war. Sie erzählte Geschichten, die keinen Sinn machten, und eigentlich niemanden interessierten. Sie war passionierte Skifahrerin und interessierte sich für den Fernsehsender MTV.

    An der Tür zum Badezimmer hing das Foto eines sabbernden Bullterriers. Amanda hatte es aus einem Modekatalog gerissen. An der Wand vor dem Badezimmer stand eine braune Couch, deren Polster nach Staub, Frittiertem und altem Schaumgummi rochen.
    Ich trat vor den mit Dunst beschlagenen Spiegel, stellte meine Flaschen und Tuben nebeneinander ab, wandte mich um und schob den Plastikvorhang, der an der Decke angebracht war, beiseite. Ich kletterte in die gelbliche Wanne mit dem schwarzen Abfluss und schob den Vorhang wieder zu. Die ganze Schule beneidete unser Haus um die Ganzkörperspiegel in unseren Kleiderschränken und um diese eklige Badewanne.
    Ich duschte und ging, in eines meiner hellblauen Badetücher gewickelt, zurück ins Zimmer. Marianne hörte Musik und konnte sich nicht entscheiden, wie sie sich schminken sollte. Ich konnte ihr nicht helfen.
    Um halb acht ging ich zum Frühstück. Unterricht war von acht bis zwölf Uhr. Dann wurde Mittag gegessen.
    Jeder Unterrichtsraum war wie eine eigene Persönlichkeit mit besonderen Eigenschaften. Am stärksten unterschieden sich die Räume in ihren Gerüchen. Ironischerweise war der Mathematikraum im Hauptgebäude, Fuller Hall, von allen der luftigste und angenehmste Raum. Hier konnte man die Fenster richtig öffnen und auf die Fußballfelder und den gepflasterten Hauptweg blicken. Der Raum bot Platz für die zehn Schüler des Kurses, deren Tischchen mit integrierten Stühlen und einen Schreibtisch für Mrs. Newton.
    Mrs.Newton war klein, untersetzt, trug ihre grauen Haare kurz, ihre Kleider knöchellang. Wenn einer der Jungs laut lachte, konnte man Mrs. Newton nicht mehr verstehen, da sie leise und sanft sprach.
    An der Wand hing ein Markerboard – keine Tafel. Auf der Antihaft-Oberfläche waren schon Tausende quadratische Wurzeln errechnet worden. Die Spuren konnten nicht mehr richtig ausgewischt werden, und so war die einst weiße Oberfläche schwach gezeichnet von einer seltsamen

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