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Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Titel: Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Jacobs
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    Er: ›Ja, dem! Aber das ist ’ne junge Frau! Das war nicht vereinbart. Männlich ab dreißig hab ich dir gesagt, Jesus Christ. ‹ Er wendet sich zu mir. ›Das tut mir echt leid, so ist das nicht gemeint, Baby. Du gibst mir einfach einen Zwanziger, und ich lass dich an der nächsten Tanke raus.«
    Ms. Gilberts Temperament kochte ständig auf 100 Grad, egal ob sie »lauft, lauft, lauft!« am Rande des Hockeyfeldes brüllte, von englischer Lyrik und dem Romanhelden Heathcliff schwärmte oder ihre Tramper-Geschichten in Tränen auf zwanzig Minuten ausdehnte.
    Wir studierten mit ihr das Gedicht The Raven von Edgar Allan Poe, und ich erinnere mich fast an jede Passage dieses Buches, weil Ms. Gilbert sich so in die Geschichte hineinsteigerte.

    Im Biologieunterricht war ich die Älteste im Kurs. Schließlich hatte mich die Schule nur in die zehnte Klasse genommen, da ich ja aus »Schweden« kam und somit als ausländische Schülerin galt. Im Durchschnitt war ich also ein bis zwei Jahre älter als die anderen Schüler der zehnten Klasse, und ich fand meine Freunde ausschließlich unter den Seniors, den Schülern der zwölften und letzten Klasse.
    Mrs. Wirts sah aus wie eine gute Wald- und Kräuterhexe. Schlank und groß war sie. Sie hatte so viel Haar, ich fragte mich immer, ob sie es überhaupt kämmen konnte. Sie hatte eine ganz spitze Nase und einen kantigen Mund. Da sie nach eigener Aussage »nie Shampoo benutzte«, erinnerte ihr Schopf an die Haarpracht eines Wichtels oder Trolls. In ihrer Aussprache lag ein leichtes Lispeln, ihre Stimme war rauh, ihre Sprache überschlug sich, wenn sie begeistert von Pflanzen, Tieren und Ökologie erzählte. Im Winter trug sie Pompom-Mützen bis unter die Augenbrauen und Ariat-Schuhe. Ihre Jeans würden heute schon wieder im Trend sein, damals waren es einfach nur Karottenhosen. Im Biologie-Raum gab es eine Tafel und Kreide. Noch heute sehe ich Mrs. Wirts vor mir, den Rücken zur Klasse gewandt, am ganzen Körper bebend, während sie einen Ahornbaum mit Pfeilen, Kreisen, Bezeichnungen und Jahresringen aufzeichnet. Es war ein Hacken und Hauen, sie schlug mit der Kreide förmlich auf die Tafel ein. Der Staub bröselte wie Schnee von ihrem Zeigefinger und Daumen, und nach zwei Stunden waren die Kreiden entweder zerbrochen oder bis auf kleine Stummel heruntergeschrieben. Mrs. Wirts war die Kategorie Lehrer, die so begeistert von ihrem Fach sind, dass sie die Schüler im Regen zu einem gekippten Teich schleppen, um dort mit ihnen das tote Ökosystem zu analysieren. Sie teilte Texte und Papiere aus, die keiner verstand, und gab am meisten Hausaufgaben von allen auf.

    Nach dem Unterricht trainierten wir bis abends um sechs zwei Stunden Feldhockey.
    Ab sieben Uhr musste man sich in der Dining Hall zum Abendessen anstellen, und ab zwanzig Uhr waren zwei Stunden Hausaufgaben verordnet. Mein akribisch angelegter Kalender wurde untauglich, da ich viel zu wenig Platz gelassen hatte, um die ganzen Aufgaben zu notieren. Ich riss die vollen Seiten raus und nutzte die verbleibenden leeren Seiten, um meine Tagesnotizen aufzuschreiben.

3
    Di e spärliche Zeit, die uns zur freien Verfügung stand, verbrachte ich immer öfter mit Mike.
    Mike kam aus dem »Corn-State« Idaho. Maisfelder, so weit das Auge reicht. Er war einen ganzen Kopf größer als ich, hatte Muskeln, aber nicht zu viele, er ging beschwingt und trotzdem breitbeinig. Mike hatte etwas, das die anderen Jungs aus der Gruppe nicht hatten, er war cool und liebevoll. Sein Gesicht war rundlich, seine Nase klein und stubsig. Er trug die dunkelblonden, gelockten Haare eher lang und schob sie sich immer über die Stirn zurück, bevor er sein Käppi aufsetzte.
    Schon in der ersten Schulwoche wanderten meine Augen suchend durch die Gegend in der Hoffnung, ihn in den Pausen oder während der Mahlzeiten zu entdecken. Meine Gedanken drifteten immer wieder zu ihm zurück. Er strich sein Haar so cool aus der Stirn. Wenn ich neben ihm saß, wurde mein Bauch ganz heiß, es verwirrte mich, wenn er mich ansah. Ich fragte mich, ob es ihm wohl ähnlich ging.
    An Sonntagen verbrachten wir den ganzen Nachmittag zusammen, und doch war ich mir nicht sicher, ob er mich mochte. Denn am nächsten Tag verhielt sich Mike wieder, als sei gestern nie gewesen, da hing er nur mit Chris Callahan rum, hob Gewichte in der Gym, und ich sah ihn erst abends nach dem Essen.
    Ingrid, ausgerechnet aus meinem Dorm, bemerkte meine Gefühle für ihren Schwarm.

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