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Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Titel: Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Jacobs
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in Gruppen unter den Zierkirschen zusammen, wieder andere gingen genau wie ich mit einem Elternteil zum Auto, wo der Abschied bevorstand.
    Jedes Gesicht, das mir begegnete, war mir fremd, war ein unbeschriebenes Blatt. Niemand hier kannte meine Geschichte, keiner wusste, woher ich kam. Ich war fünfzehn und musste erst mal Anschluss finden. Nach all der Zeit, in der ich keinen Wert auf Freunde gelegt hatte, wusste ich gar nicht, wie ich mich dabei verhalten sollte. Ich fühlte mich verunsichert und schüchtern.
    Am Auto wurde mir schrecklich bewusst, dass ich hier ganz alleine zurückbleiben würde. Mein Vater würde auf die Farm zurückfahren, dann in die Schweiz fliegen, und ich musste mich unter die anderen Schüler mischen und mich vorstellen. Ich kann gar nicht sozial sein!, schoss es mir durch den Kopf. Doch! Ich wollte ein neuer Mensch werden. Lauter Freunde wollte ich haben, offen und fröhlich sein. Ich konnte doch schwimmen, ich musste nur springen.
    Meinem Vater und mir standen die Tränen in den Augen. Der Abschied war schrecklich.
    Alleine ging ich wieder über den Campus, an den frisbeespielenden Jungs, den Gruppen von Jugendlichen vorbei, denen ich mich würde anschließen müssen.
    Noch etwas weinend, richtete ich mein Zimmer in Hellblau, Gelb und Grün ein, quetschte meine Kleider in den winzigen Schrank und die drei Schubladen meiner Kommode, verstaute meine Handtücher in Kisten unterm Hochbett und breitete den Quilt aus. Ich stöpselte den Stecker des hellblauen Radios ein und suchte einen Sender. Dann ging ich wieder auf den Long Walk und mischte mich unter die Leute.
    Abends legte ich einen Kalender an, in den ich Hausaufgaben und Prüfungstermine eintragen wollte. Mein Zimmer teilte ich mit einer blonden, dicken, kleinen Schwedin namens Marianne. Sie war trotz des Abschieds von ihren Eltern gut aufgelegt und redete sehr schnell in schlechtem Englisch.
    An einem der ersten Tage kam mir der Head of Admissions auf dem Long Walk entgegen. Er verlangsamte seinen Schritt, als er mich sah, und verzog sein dickes Gesicht zu einer Fratze, durch seine schwarze Hornbrille schielte er mich an und meinte: »Ist das nicht toll! Was für ein Zufall, dass Marianne auch aus Schweden kommt! Ich bin ganz glücklich über diese Fügung!«
    Da ging mir ein Licht auf. Freundlich teilte ich ihm mit, dass ich nicht aus Sweden kam, sondern aus Switzerland. Aber seine Reaktion zeigte mir, dass er weder wusste, wo Schweden noch wo die Schweiz lag.
    » Great! Ist das nicht wundervoll?«, rief er ganz unbeirrt aus. Und mit dem Angebot, dass ich mich immer an ihn wenden könnte, wackelte er weiter den gepflasterten Hauptweg runter in sein Büro.
    Marianne war temperamentvoll, sie besaß String-Tangas in allen erdenklichen Farben, eine Schublade voll, und sie verkündete schon kurz nach unserer Ankunft, dass sie Silvester 2000 Sex haben wolle, mit wem auch immer. Nach wenigen Wochen verfluchte sie alle Lehrer und Schüler – und mich. Nach Unterrichtsschluss hing sie am Telefon und fluchte auf Schwedisch, was das Zeug hielt. In einer unüberhörbaren Lautstärke und in rasenden Wutanfällen schrie sie bis nach Stockholm, dass sie hier wegwollte. Ihre Hälfte des Zimmers entwickelte sich zu einer Müllhalde. Unter ihrem Bett stapelten sich leere Coladosen, Chipstüten, Unterwäsche und Kosmetik, die ihr ihre Mutter aus Stockholm schickte. Auf ihrer Hälfte des Schreibtisches häuften sich Modezeitschriften und Pappschachteln von zugesandten Päckchen. Bald vermied sie es, mit mir zu sprechen, und signalisierte ihre Abneigung durch gezieltes Unordnungschaffen. Sie schluckte Coffeintabletten und saß noch bis drei Uhr morgens vor unserem Zimmer in dem gammeligen Sofa und machte Hausaufgaben.
    Ich belegte Kurse in Biologie, Französisch, Mathematik, Amerikanischer Geschichte, spielte Feldhockey und versuchte mich irgendwie einzuleben.

    Wenn ich zurückdenke, formierten sich auf meinen Schulen immer die Schüler mit gleichen Vorlieben und Neigungen zu jeweils eigenen Gruppen. Hier versuchte ich nun unter den 350 Jungen und Mädchen meine Freunde zu finden und gesellte mich bald zu einer Gruppe, in der alle die gleichen Baseballmützen von der Marke Abercrombie&Fitch trugen sowie Shorts und Hemden vom gleichen Label. Das Zentrum der Clique bildeten drei Jungs aus dem Footballteam: Mike, Chris Callahan und Topher waren ganz coole Cats. Topher kämmte seine sonnenblonden Wellen zur rechten Seite und trug seine Oberarme wie ein

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