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Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Titel: Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Jacobs
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und des Widerspruchs.
    »Wir legen immer mehr Wert auf Technik und hüpfen damit über unsere Instinkte hinweg wie über abgeschliffene Feldsteine, die im Fluss liegen. Aber was ist, wenn wir am anderen Ufer angekommen sind und uns Nahrung beschaffen, eine Hütte bauen, einen Schlafplatz suchen müssen?«, frage ich Jim.
    »Dann sind die meisten modernen Errungenschaften nur noch verbesserte Mittel zum unverbesserten Zweck.«
    »Der einzige Instinkt, der uns bleiben wird, ist der zu töten.«
    »Das war vielleicht auch der erste Instinkt, den der Mensch je hatte.«
    Ich will nicht weiterreden. Der Drang in mir wird unermesslich groß, mich von allem Fremdbestimmten unabhängig zu machen. Dann könnte ich wie ein Deserteur die Waffen niederlegen und den Weg zurück in die Heimat einschlagen.
    Um mich herum döst der Wald. Er zeigt mir am deutlichsten, wie überlebensunfähig ich geworden bin. Da ich ihn nicht kenne, würde ich in seinen Fängen kümmerlich zugrunde gehen.
    Wir gehen weiter, ohne etwas zu hören oder zu sehen. Mir scheint, wir gehen Stunden. Dann bleibt Jim stehen und zeigt auf geisterhafte Spuren im Schlamm. Die gespaltenen Abdrücke der Elchhufe führen uns den Hang hinab durch einen Bach, durch Brombeergestrüpp, das mir bis an die Hüften reicht, durch Unterholz. Wir folgen ihnen bis zu einer Waldlichtung, auf der wir im Dämmerlicht angelangen. Ich drehe mich im Kreis und sehe nichts als Bäume. Die abnehmende Helligkeit lässt das Holz wie verbrannt erscheinen, die Feuchte steigt auf, und es riecht nach aufgeweichtem Boden und verwesenden Blättern. In der Ferne des nächsten Tals leuchtet die Oberfläche eines Teichs goldgelb im Licht der untergehenden Sonne. Über unseren Köpfen zieht rufend und flügelschlagend ein Falke dahin, aber weit und breit kein Elch.
    Jim, das Gewehr geschultert, und ich brechen unsere Spurensuche wegen der hereinbrechenden Dunkelheit ab. Der Weg zum Auto zurück ist lang, und ich weiß nicht, wo wir uns befinden.
    »Was würden wir tun, wenn wir das Auto nicht mehr fänden?«, frage ich vorsichtig.
    »Wir würden einfach immer am Fluss entlanggehen.«
    Ich erinnerte mich an den Bach, den wir überwunden hatten. »Na klar«, sage ich. »Aber woher würden wir wissen, dass es der Bach ist, der durch Bridgewater fließt?«
    »Das würden wir nicht wissen. Aber wir wissen, dass dieser Bach in einen anderen Bach fließt und der andere Bach in einen Fluss und der Fluss in einen See. Auf diesem Weg kämen wir gezwungenermaßen früher oder später an einer Stadt vorbei. Dort würden wir dann fragen, in welche Richtung Bridgewater liegt.«
    Ich lächle. »Das stimmt.« Ich schaue Jim an, er bemerkt es nicht. Sein Gewehr baumelt mit jedem Schritt hin und her. Wir laufen weiter. Ich bin froh, den Truck in völliger Dunkelheit zu erreichen. Jim legt sein Gewehr auf die Ladefläche, und wir fahren schweigend nach Hause. In mir drin ist alles ganz still, ich versuche wieder und wieder das Rufen des Falken zu hören.
    Am Haupthaus angelangt, steige ich aus, und Jim sagt: »Wir wollen unser Glück morgen früh wieder versuchen. Sechs Uhr?«
    »Ich werde hier warten.«
    Das dunkle, stille Haus empfängt mich. Ich mache Feuer im Kamin. Kurze Zeit später krachen die armdicken Birkenstämme, und eine wohlige Hitze entsteht, an der ich meine Beine wärme. Ich schmore die Keule eines unserer Lämmer in einer Tomatensauce und esse mit großem Hunger alles auf. Auf dem Boden vor dem offenen Kamin sitzend, streiche ich mit dem Zeigefinger die Schüssel aus und überlege, was ich täte, wenn ich da draußen im Wald in einer Höhle sitzen würde. Da wir nichts erlegt hatten, hätte ich ja jetzt auch nichts zu essen. Keine Möglichkeit, in den nächsten Supermarkt zu fahren und mir eine eingeschweißte Putenbrust, ein Steak, ein Fischfilet zu kaufen. Ich müsste selbst angeln, selbst töten, selbst häuten und ausnehmen, um überhaupt an eine Hasenkeule zu kommen. Kein Wunder, dass sich der Mensch von der Faulheit überlisten ließ und durch seine Bequemlichkeit käuflich wurde.
    Ich schaue in das züngelnde Spiel der Flammen. Ein Feuer, ein Mensch davor, ich. In dem Moment, in dem ich hier sitze, kann es 1800 sein, kann es 1773, kann es das Jahr 2009 sein. Ich nehme den Feuerhaken, schüre die Glut und lege ein weiteres Holz auf.
    Ein Cowboy, denke ich. Oder bin ich am Ende doch nur darauf aus, ein einfaches, aber glückliches Leben zu führen? Brauche ich den Cowboy als Überbau für die

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