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Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition)

Titel: Fräulein Jacobs funktioniert nicht: Als ich aufhörte, gut zu sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Jacobs
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Hände von Indianern.«
    »Also bleibt es dabei: Einfach ist es nicht, damals wie heute.«
    Jim hält einen Moment inne. Dann schaut er mich an: »Damals hatten die meisten gar keine andere Wahl, nur das hat die Entscheidung einfacher gemacht.«

16
    Am nächsten Tag fahre ich auf der Route 12 zum Farmer’s Market nach Woodstock, um einzukaufen. Danach trinke ich einen Kaffee im »Coffee House«, lese den Vermont Standard, die Lokalzeitung, steige wieder in meinen Wagen und folge weiter der Hauptstraße. Nach ein paar hundert Metern sehe ich schon das mit ochsenblutfarbenen Schindeln verkleidete Haus. Neben der Eingangstür baumelt ein Holzschild an einer Eisenkette. »Antique Bookstore«. Ich mache einen U-Turn und parke hinter dem Haus. Den Schlüssel lasse ich stecken. In Vermont lasse ich den Wagenschlüssel immer stecken. Ich gehe ums Haus herum und trete an die Fliegengittertür des Eingangs. Doch am Türrahmen klebt ein Zettel, auf dem zu lesen ist: »Der Eingang zum Buchladen befindet sich hinter Ihnen zur Linken.« Ich gehe wieder zurück und trete an die Tür auf der Rückseite des Hauses. Auch hier klebt ein Zettel: »Der Eingang zum Buchladen ist in der Scheune hinter Ihnen.« Ich drehe mich um. Mir war der Schuppen vorher gar nicht aufgefallen. Ein niedriges langes Häuschen mit schiefem Dach und einem düsteren Fenster. Ich trete auch hier an die Fliegengittertür. Ein weiterer Zettel ist mit einem Reißnagel ans Holz gepinnt: »Bitte drücken Sie den Klingelknopf zu Ihrer Linken für Hilfe.« Ich klingele und warte. Aus dem Haus hinter mir tritt ein Mann mit sehr zerzausten Haaren und lugt aus der Tür des Hintereingangs, an dem ich vorhin gestanden hatte. Er trägt weite Wollhosen, einen schlabberigen Pulli und Sandalen. Er scheint zum ersten Mal heute an die frische Luft zu treten und kommt die Stufen herab auf mich zu.
    »Kann ich in den Buchladen?«, frage ich.
    »Natürlich!«, antwortet der Mann, als sei der Laden nie geschlossen. »Ich mache Ihnen Licht.«
    Ich gehe hinter ihm in den niedrigen Schuppen. Der Geruch von altem Leinen und leicht feuchtem Papier ist herrlich und etwas abstoßend zugleich. Der Buchhändler macht Licht und schaltet die Heizung ein. Am Eingang an der Wand hinter der Kasse kleben hunderte Postkarten, Fotos von Südseeinseln und Flugblätter. Bis unter die Decke reichen die Regale voll mit alten Büchern. Auf Tischen und in Vitrinen liegen weitere Bücher, Hefte und Zeitungen. Fasziniert greife ich sofort einige Bände, die ausliegen, und blättere die dicken, harten Buchseiten durch.
    »Suchen Sie denn was Bestimmtes?«, fragt er mich, setzt seine Lesebrille auf und geht einige gelbe Zettel durch, die neben der großen Kasse herumliegen.
    »Ich weiß nicht«, sage ich. »Vielleicht etwas über die Cowboys, den Old West oder darüber, wie man Farmer wird.« Ach, ich will Farmer werden? Ich bemerke selbst, dass ich diesen Wunsch soeben zum ersten Mal vor jemand anderem ausgesprochen habe.
    »Aha. Interessant.« Immer noch die Lesebrille auf der Nase, kommt er hinter dem Tresen hervor. Im Vorbeigehen schaltet er, die Schultern gekrümmt, herumstehende Lampen an. Er scheint sich besinnen zu müssen, als hätte ich ihn aus dem Schlaf gerissen.
    An der zweiten Vitrine, die vor einem schiefen Regal steht, bleibt er stehen. Er zieht den Lampenschirm dichter heran und fingert einen dicken Schlüsselbund aus der Hosentasche. »Mal sehen«, murmelt er und öffnet den Glasdeckel.
    Ich stelle mich neben ihn und gucke auf einen dünnen blauen Buchdeckel.
    »Hier.« Er reicht mir das Büchlein. Reflexartig drehe ich es so, dass ich auf dem Rücken seinen Titel lesen kann. So You’re Going To Buy A Farm. Ich muss mich zusammenreißen, fühle mich vom Schicksal ertappt und starre den Buchhändler fassungslos an.
    »Ich habe es nie gelesen«, sagt er nüchtern.
    Ich schlage das Buch auf. Mein Blick fällt auf ein Zitat Ralph Waldo Emersons von 1852: »If God gave me my choice of the whole planet or my little farm, I should certainly take my little farm.«
    » Meine kleine Farm«, denke ich und blättere weiter. Chapter 1: Back to the Land. Verrückt. Das Buch wurde 1944 gedruckt. 1944 lag Europa in Schutt und Asche, in den Städten hauste man in offenen Kellergeschossen und musste schimmeliges Brot kauen. 1944 wurde an den New Yorker Straßenecken Ice-Cream verkauft, und die Menschen marschierten zu Tausenden in die Büros, fuhren auf den Express Highways und luden ihre Liebste ins Kino

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